Lecture der Zeitschrift „Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning“

Lecture
Sitzungs-ID
LE-003
Termin
Mittwoch (20. September 2023), 12:45–13:30
Raum
HZ 8
Sitzungsleitung
Andreas Klee (ARL - Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz Gemeinschaft)

Die Zeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ vermittelte als Organ der „Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung“ ab 1936 politische Vorgaben und wissenschaftliche Leitlinien der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Es wird die Bedeutung der Zeitschrift für die Mobilisierung und Selbstmobilisierung akademischer Akteure sowie ihre Rolle als Sprachrohr rassistischer, antisemitischer und kulturell abwertender Anschauungen skizziert.

Oliver Werner

Die Zeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ (RuR) von 1936 bis 1944 im „Dritten Reich“

Die Fachzeitschrift „Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning“ erscheint 2023 im 81. Jahrgang. Sie ist eine interdisziplinäre Zeitschrift, die ein großes Spektrum raumrelevanter Themen abdeckt und mit Fachartikeln in deutscher und englischer Sprache die nationale und internationale Debatte mitgestaltet. Die Anfänge der Zeitschrift – insbesondere die Jahrgänge 1936 bis 1944 vor dem Zweiten Weltkrieg – wurden allerdings bislang erst in Ansätzen aufgearbeitet und reflektiert. Dies erfolgt im Rahmen der Journal Lecture.

Die Zeitschrift „Raumforschung und Raumordnung“ vermittelte als Organ der „Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung“ (RAG) ab 1936 politische Vorgaben und wissenschaftliche Leitlinien der nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik. Sie stellte regelmäßig Projekte und Forschungen vor, die in den neu gebildeten „Hochschularbeitsgemeinschaften für Raumforschung“ an den Universitäten und Hochschulen des Deutschen Reiches durchgeführt wurden. Mit ihren thematischen Schwerpunktsetzungen entsprechend der territorialen Expan­sion des „Dritten Reiches“ und durch eine enge Orientierung der Artikelauswahl an den Erfordernissen der nationalsozialistischen Eroberungs- und Besatzungspolitik erfüllte die Zeitschrift eine wesentliche Anleitungsfunktion, die über die Publikation in die universitäre Forschungspraxis zurückwirkte. In der Journal Lecture skizziert Dr. Oliver Werner die Bedeutung der Zeitschrift für die Mobilisierung und Selbstmobilisierung akademischer Akteure sowie die Rolle von „Raumforschung und Raumordnung“ als Sprachrohr rassistischer, antisemitischer und kulturell abwertender Anschauungen, die eine wichtige Grundlage für den Völkermord an den europäischen Juden und die Zerstörung Ostmittel- und Osteuropas im Zweiten Weltkrieg bildeten.

Die Journal Lecture eröffnet die Möglichkeit zu einer Diskussion über die (Dis-)Kontinuitäten der Raumforschung und Raumordnung von der NS-Zeit in die Bundesrepublik und soll damit zur Vergangenheitsbewältigung der Zeitschrift beitragen.

Dr. Oliver Werner ist Archivar im Geschichtsbüro Reder Roeseling & Prüfer Köln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten in der Geschichte vom 19. zum 21. Jahrhundert zählen deutsche Regional- und Länderbeziehungen, Betriebs-, Planungs- und Verwaltungsgeschichte, transatlantische Beziehungen im Kalten Krieg sowie die Kontinuitäten und Neuorientierungen der deutschen Eliten in den historischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts.