3, 2, 1, Region! Improvisationstheater als partizipatives Instrument der Analyse von Raumproduktionen

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 13
Autor*innen
Frank Meyer (Leipzig)
Sabine Hostniker (Universität Graz)
Kurz­be­schreib­ung
Geführte Improvisationsformate können im Rahmen partizipativer qualitativer Prozesse zur Analyse von alltäglichen Raumproduktionen genutzt werden.

Abstract

Forschende zu Regionalisierungsprozessen heben ob der polysemischen Natur des Konzepts Region oftmals die Bedeutung einer analytischen Perspektive auf jene Konstruktionsprozesse hervor, die dazu führen, dass Regionen in sozialen und politischen Aushandlungsprozessen als etwas tief im Bewusstsein und im Alltag Verwurzeltes behandelt werden (bspw. Paasi 1986). Praktisch wird diese Sichtweise etwa durch den Begriff regionale Identität adressiert, wobei eine konstruktivistisch-deskriptive Perspektive auf alltägliche Raumproduktionen einer normativen Perspektive in sozialen und politischen Debatten entgegensteht, die die Existenz regionaler Identität voraussetzt. Dieser Sachverhalt hat Konsequenzen für die Forschung über und in Regionen (vgl. Miggelbrink/Meyer 2015), da durch das direkte Nachfragen gegebenenfalls Rückkopplungsprozesse in Gang gesetzt werden, im Zuge derer die Intervention Forschender zur Reifikation von Regionen führen kann. Es stellt sich die Frage, inwieweit wir methodische Antworten auf das analytische Paradigma finden können, mit deren Hilfe wir die performative Herstellung von Regionen beobachten können, ohne zugleich zu ihrer Reifikation beizutragen. In diesem Zusammenhang spielen Emotionen, Narrative, Diskurse und gelebte Performanz im Alltag eine Rolle. Der Reiz liegt im Versuch, das nicht explizit Sichtbare durch Affekt und Ausführung im improvisierten Handeln hervorzubringen.

Im Rahmen der Lightning Session möchten wir die Möglichkeiten diskutieren, wie mit Hilfe eines Improvisationsformats bzw. einer geführten Improvisationsperformanz in der Gruppe raumbezogene Identität in ihrer alltäglichen Aushandlung sichtbar gemacht werden kann. Im Anschluss an Hostniker (2022) schlagen wir folglich eine konsequente Umsetzung des Performativitäts-Ansatzes vor. Wir nutzen dabei die Parallelen zwischen Theater und gelebtem Alltag, indem wir affektbasierte Szenen, das Entstehen von Routinen im Spiel und das Erspielen und Fühlen von Alltagssituationen einfangen, in Bezug setzen und reflektieren. Unbewusstes und unerwartetes Handeln in der Improvisation wird dabei zum „Spiel mit den Prozessen der Konstruktion von sozialer Realität“ (Lösel 2013, S. 331). Im Rahmen eines partizipativen Prozesses sollen Teilnehmende einen Prozess durchlaufen, in dem sie (I) gemeinsam unter vorrangig organisatorischer Anleitung und analytischer Beobachtung Forschender eine Improvisation in Form eines kurzen Stücks oder eines anderen Formats zu einem Impuls mit Raumbezug konzipieren; in einem zweiten Schritt (II) zeigen die Teilnehmenden die konzipierte Performanz, was anschließend (III) in einer durch Forschende moderierten Gruppendiskussion zu den spezifischen Entscheidungen und Interpretationen reflektiert wird. In unserem Beitrag stellen wir kurz die grundlegenden Einflüsse eines solchen Ansatzes vor, bevor wir ein konkretes Umsetzungskonzept mit seinen Potenzialen und Grenzen zur Diskussion stellen.