Agrar- und Bodenreformen in Südindien: Wegbereiter eines ruralen Populismus?
Abstract
Vor dem Hintergrund zunehmender autoritär-hindunationalistischer und neoliberaler Entwicklungen seit der Wahl der Bharatiya Janata Party (BJP) 2014 in Indien untersucht der Beitrag die jüngsten Agrar- und Bodenreformen und Reformversuche im Bundesstaat Karnataka. Ausgehend von der Annahme, dass sich ländlicher Populismus sowohl in neuen Politiken als auch in neuen Mobilisierungsformen niederschlägt, sollen folgende Fragen beantwortet werden: Wie lassen sich die jüngsten Agrar- und Bodenreformen im Bundesstaat aus einer hegemonietheoretisch informierten Populismusanalyse einordnen? Welche landwirtschaftlichen Gruppen werden mit welchen Effekten Teil autoritär-populistischer Mobilisierung und Hegemonie? Ziel des Beitrags ist es, sowohl auf politischer als auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene die Durchsetzung eines ländlichen Populismus zu bestimmen.
Der südindische Bundesstaat Karnataka erlebt seit 2014 eine Reihe von politischen Umbrüchen. Nach mehreren vorzeitigen Regierungswechseln regiert derzeit die BJP, unter der Karnataka eine aggressive Wachstums- und Industrialisierungspolitik verfolgt. Ausländische Investitionen und Kapital sollen durch eine weitere Deregulierung der Bodenpolitik angezogen werden. So sollen Landbesitz und -erwerb zugunsten von Kapitalinteressen erleichtert werden, indem Obergrenzen für den Besitz von Agrarland nahezu aufgehoben werden und zunehmend auch nichtlandwirtschaftliche Privatpersonen und Unternehmen Land erwerben können. Die Schaffung dieser günstigen Investitionsbedingungen gehen vor allem zu Lasten der Kleinbauern und der landlosen Landbevölkerung und zielen auf eine Ausweitung von neoliberalen Marktlogiken, die teilweise durch populistische Entwicklungsnarrative legitimiert werden. Im Jahr 2020 versuchte das indische Parlament zudem, einschneidende Agrargesetze zu verabschieden, die die garantierten Festpreise für Agrarprodukte durch eine marktbasierte Preisbildung ersetzen sollten. Nach heftigen Protesten in einzelnen Bundesstaaten wurde es jedoch wieder zurückgezogen. Mein Beitrag konzentriert sich auf die ländliche Mobilisierung gegen und für diese unterschiedlichen Reformen in Karnataka.
Der Beitrag reiht sich ein in die wachsende Diskussion um den ländlichen Populismus. Dabei werden ländliche Räume nicht nur als Orte diskutiert, in denen sich populistische Politiken manifestieren. Vielmehr wird die Wechselwirkung zwischen ländlichen Räumen und Populismus betont und wie ländliche Räume beispielsweise durch populistische Mobilisierung aktuelle Politiken reproduzieren. Der Beitrag orientiert sich dem Begriff des Autoritären Populismus (AP) nach Stuart Hall (1985) und entwickelt diese im Lichte neuerer Forschungen zum ländlichen Populismus sowohl im globalen Süden als auch im globalen Norden weiter.