Analyse der empirischen Evidenz des Phasenmodells der Gentrifizierung und seiner Rezeption im Spannungsfeld von wissenschaftlicher Güte und alltagsweltlicher Plausibilität

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 0.107
Autor*innen
Richard Babbe (Universität Hildesheim)
Moritz Schütz (JLU Gießen)
Kurz­be­schreib­ung
Das Projekt untersucht unter anderem am Phasenmodell der Gentrifizierung Prozesse der Wissensproduktion und – rezeption entlang von Wissensketten. Einen Schwerpunkt bildet die Analyse der Relevanz und empirischen Evidenz des Modells sowie die daraus folgenden Implikationen für die didaktische Umsetzung.
Schlag­wörter
Gentrifizierung, Phasenmodell der Gentrifizierung, Evidenzbasierung, Modellverständnis

Abstract

Das vorliegende Projekt untersucht Prozesse der Wissensproduktion und – rezeption entlang von Wissensketten. Das Forschungsvorhaben fokussiert die Frage welche Relevanz sowie empirische Evidenz ausgewählte humangeographische Phasenmodelle im wissenschaftlichen Kontext aufweisen, wie diese Modelle ihren Weg in den Unterricht deutscher Oberstufen finden und mit welchem Modellverständnis sie dort gelehrt werden. Im Verlauf der Studie wird unter anderem das Phasenmodell der Gentrifizierung nach Dangschat (1988) untersucht. Zur Überprüfung der Relevanz und empirischen Evidenz des Modells wird die (inter‑)nationale Fachliteratur sowie graue Literatur der letzten vier Jahrzehnte vertieft aufgearbeitet. Relevante Arbeiten werden systematisch mittels Keyword-Suchen vorgefiltert und anschließend anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Der Fokus der Inhaltsanalyse liegt auf der Untersuchung des wissenschaftlichen Diskurses, der Gründe für die Modellauswahl, der genutzten Methoden und Datengrundlagen sowie der Evidenzbasierung. Die Erkenntnisse der qualitativen Inhaltsanalyse werden mit den Aussagen aus leitfadenbasierten Expert*inneninterviews, die mit renommierten Forschenden im Bereich der Gentrifizierung geführt wurden, kombiniert. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich der in dem Modell dargestellte idealtypische Verlauf des Prozesses der Gentrifizierung bis heute empirisch nicht nachweisen lässt. Die Nutzung von Phasenmodellen zur Erklärung von Gentrifizierungsprozessen wird in der wissenschaftlichen Literatur deshalb hinterfragt. Parallel dazu wird fachdidaktisch mittels einer Schulbuchanalyse sowie darauffolgenden Interviews mit Schulbuchautor*innen die schulische Implementierung des wissenschaftlich streitbaren Modells untersucht. In einer qualitativen Inhaltsanalyse wird in Schulbüchern die didaktische Umsetzung des Modells hinsichtlich des Beitrags zur Anbahnung eines elaborierten Modell- und somit Wissenschaftsverständnisses überprüft. Erste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass anstelle einer kritischen Behandlung des Phasenmodells der Gentrifizierung ein unreflektierter Umgang und eine Anwendung als positivistisch abprüfbare Gegebenheit vermehrt vorzufinden ist. Die Gründe für die Nutzung des nicht evidenzbasierten Modells sowie der entsprechenden didaktischen Umsetzung werden exemplarisch für ausgewählte Schulbücher in den Interviews mit Autor*innen kritisch hinterfragt und anschließend ebenfalls qualitativ-inhaltsanalytisch ausgewertet. Im Rahmen des Vortrags sollen erste Ergebnisse des Verbundprojekts präsentiert und zur Diskussion gestellt werden.

Das Vorhaben wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Zeitraum von 2022 – 2025 gefördert.