Ansätze für eine anonyme Gesundheitsversorgung in Ulm: Ein Schritt in Richtung Solidarity City?
Abstract
Unter Schlagwörtern wie Solidarity Cities, Sanctuary Cities oder Städte der Zuflucht wird derzeit vielerorts auf städtischer Ebene eine solidarische Politik gegenüber Migrant*innen eingefordert. Dabei geht es um die Frage, inwieweit Zugehörigkeit jenseits nationalstaatlicher Logiken gedacht werden kann. So stehen Ansätze, Personen ohne Aufenthaltstitel den Zugang zu öffentlichen Leistungen zu ermöglichen, in Opposition zu Ausschlüssen durch den Nationalstaat. Städte befinden sich dabei in einem Spannungsfeld zwischen Handlungsspielräumen auf lokaler Ebene einerseits und Abhängigkeit von Land und Bund andererseits. Im Rahmen dieses Spannungsfelds befasst sich der Beitrag damit, inwiefern im Bereich der Gesundheitsversorgung aufenthaltsrechtliche Illegalisierung verhandelt wird.
Nach deutschem Aufenthaltsrecht sind alle öffentlichen Stellen in Deutschland verpflichtet, die Daten von Personen ohne Aufenthaltstitel an die Ausländerbehörde weiterzugeben. Das infolgedessen stark erhöhte Risiko der Abschiebung führt dazu, dass für illegalisierte Personen der Zugang zum Gesundheitssystem faktisch versperrt ist. Um dennoch ansatzweise eine Gesundheitsversorgung für Illegalisierte zu gewährleisten, besteht ein Netzwerk aus aktivistischen und ehrenamtlichen Akteur*innen, das versucht, kostenlose und anonyme Behandlungen zu vermitteln. Diese Bemühungen werden teilweise wiederum vonseiten der Städte aufgegriffen und unterstützt, etwa durch die Einführung eines sogenannten Anonymen Behandlungsschein. Anhand des Fallbeispiels Ulm wird im Beitrag dargelegt, wie hierbei räumliche und rechtliche Logiken miteinander in Konflikt stehen. Dabei wird evaluiert, inwiefern die untersuchten Ansätze zur Bereitstellung anonymer Gesundheitsversorgung auf städtischer Ebene dem Kontext der Solidarity City Bewegung zugeordnet werden können.