Auf die Probe gestellt: Aushandlungsprozesse in Nahmobilitätsexperimenten

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 7
Autor*innen
Melis Günay (HCU Hamburg)
Kurz­be­schreib­ung
Dieser Beitrag setzt sich mit Aushandlungsprozessen zwischen zivilgesellschaftlichen und städtischen Akteur*innen in Mobilitätsexperimenten auf Quartiersebene auseinander.
Schlag­wörter
Nahmobilität, Mobilitätsexperimente, Aushandlungsprozesse, Zivilgesellschaft

Abstract

Als Antwort auf den fortschreitenden Klimawandel und im Bestreben die Mobilitätswende voranzutreiben werden in deutschen Städten zunehmend Mobilitätsexperimente auf Quartiersebene geplant. Viele dieser Experimente werden von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen initiiert oder sogar von ihnen umgesetzt und sollen eine Umverteilung des Straßenraums erproben, durch die der motorisierte Individualverkehr reduziert und aktive Mobilität gefördert wird. Dieser Beitrag teilt erste Einblicke einer qualitativen Fallstudienanalyse, die Aushandlungsprozesse zwischen zivilgesellschaftlichen und städtischen Akteur*innen in ebensolchen Nahmobilitätsversuchen empirisch untersucht.

Die Umsetzung experimenteller Veränderungen, insbesondere unter dem Label von Real World Laboratories, Urban Living Labs oder Reallaboren, gewinnt innerhalb des Diskurses über die nachhaltige Transformation von Städten, nicht nur im Mobilitätssektor, an Bedeutung (Schäpke et al. 2018). Das transformative Potenzial solcher zeitlich und räumlich begrenzten Experimente wird ihrer Funktion als Aushandlungsräume zugeschrieben (Von Wirth et al. 2019). Diese Räume sollen den involvierten Akteur*innen die Möglichkeit geben, ihre Erwartungen, Zukunftsvisionen und Problemdefinitionen zu verhandeln und in konkrete Handlungen zu übersetzen (Berkhout 2006, Raven et al. 2008). In diesem Prozess werden soziale Beziehungen neu angeordnet (Evans et al. 2016) und dadurch gegenwärtige Strukturen in Frage gestellt.

In diesem Beitrag werden die dem Transformationspotential von Experimenten zugeschriebenen Aushandlungsprozesse anhand einer Untersuchung von Nahmobilitätsexperimenten in deutschen Städten kritisch hinterfragt. Insbesondere wird beleuchtet, wann, wozu, und in welchen Formaten Aushandlungen stattfinden und welche Strukturen und Strategien sich in den jeweiligen Prozessen abzeichnen. Der Fokus liegt hierbei auf zivilgesellschaftlichen und städtischen Akteur*innen und gibt Aufschluss darüber, wer die beteiligten Akteur*innen sind und welche Rolle sie in Mobilitätsversuchen spielen.

Die vorgestellten Erkenntnisse über Aushandlungsprozesse in lokalen Mobilitätsexperimenten sollen zur akademischen Debatte über nachhaltige Mobilität und urbane Experimente beitragen. Ein vertieftes Wissen über diese Prozesse ist für eine kritische Diskussion von Experimenten als Strategie für die Mobilitätswende elementar und bietet eine Grundlage, das tatsächliche Transformationspotential solcher Versuche fundierter bewerten zu können. So tragen die Ergebnisse in ihrer Fortführung zu unserem Verständnis darüber, wie und von wem städtische Mobilität gestaltet wird, bei.