Auslandscampuse deutscher Technischer Universitäten: Kommodifizierung und Vermarkt(lich)ung deutscher Hochschulbildung in Übersee?

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 18:15–19:45
Sitzungsraum
HZ 12
Autor*innen
Jana Kleibert (Universität Hamburg)
Kurz­be­schreib­ung
Deutsche technische Universitäten sind mit ihren Auslandscampusen Teil von Marketisierung und Kommodifizierung in einem wichtigen Bereich der sozialen Reproduktion. Der Beitrag beleuchtet diese Verschiebungen im Staat-Markt-Verhältnis in der Hochschulbildung, beteiligte Akteure und Auswirkungen.

Abstract

In der deutschen Bildungslandschaft spielen private Hochschulen und Bildungsmärkte eher eine nebensächliche Rolle, was sich auch in der geringen Anzahl geographischer Forschungsarbeiten zu den Themen Neoliberalisierung und Marketisierung im deutschen Hochschulbildungswesen widerspiegelt (vgl. Belina et al. 2013 als Ausnahme). In der globalen Betrachtung jedoch wird Bildung gelegentlich als die „Wachstumsindustrie“ des 21sten Jahrhunderts und die Nachfrage nach „Bildungsprodukten“ als einer der größten Märkte weltweit beschrieben (Komljenovic & Robertson 2017). Obwohl weitestgehend unbemerkt, spielen auch deutsche staatliche Universitäten auf diesen globalen Märkten mit. Sie bieten beispielsweise sogenannte transnationale Bildungsprogramme im Ausland vor Ort an und betreiben dafür teilweise Auslandszweigstellen, oft in Form von privat geführten GmbHs, deren Einnahmen sich zu großen Teilen aus Studiengebühren speisen (Fromm & Raev 2020; Kleibert et al. 2020). Die Entwicklung dieser Auslandscampuse sind dabei einerseits Ausdruck von Marketisierungsprozessen in den Bildungssystemen vor Ort, welche als relevante Bereiche der sozialen Reproduktion betrachtet werden können. Andererseits treiben transnationale Hochschulaktivitäten auch eine Ausweitung von Marktorientierung und -mechanismen innerhalb der deutschen Universitäten voran, was auch Auswirkungen an den deutschen Hochschulstandorten mit sich bringen kann.

Dieser Beitrag thematisiert Marketisierungs- und Kommodifizierungsprozesse in der deutschen Hochschulbildung anhand von Fallbeispielen von deutschen Technischen Universitäten mit Zweigstellen-Campusen im Ausland, z.B. in Singapur, in Vietnam, im Oman und in Ägypten. Insbesondere wird die Rolle und Verquickung staatlicher Institutionen (z.B. des DAADs) in diesen Entwicklungen beleuchtet. Darauf aufbauend wird diskutiert, welche Auswirkungen diese Verschiebungen im Staat-Markt-Verhältnis auf angrenzende Bereiche der sozialen Reproduktion, z.B. den Arbeitsmarkt, haben können.