Begegnung schaffen im Quartier: Herausforderungen für die Praxis

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 4
Autor*innen
Lars Wiesemann (vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.)
Kurz­be­schreib­ung
Einrichtungen wie Quartierszentren oder Nachbarschaftshäuser versuchen mit Begegnungsangeboten eine größere Akzeptanz von Vielfalt zu erreichen. Der Beitrag beleuchtet diese Aktivitäten und diskutiert angesichts einer Popularisierung solcher Maßnahmen in der Quartiersentwicklung ihre Limitationen.
Schlag­wörter
Geographien der Begegnung, soziale Quartiersentwicklung, Diversität, Vorurteile

Abstract

Das Forschungsfeld der Geographien der Begegnung befasst sich seit nunmehr 15 Jahren mit dem alltäglichen Interaktionsgeschehen in urbanen Räumen unter der Bedingung zunehmender (stadt‑)gesellschaftlicher Diversität. Dabei hat es sich in jüngerer Zeit verstärkt auch Formen der „organisierten Begegnung“ (z. B. initialisiert durch Stadtteilakteur*innen) zugewendet. Der Beitrag knüpft an diese Debatten an und beleuchtet die Praxis der Begegnungsförderung in der sozialen Quartiersentwicklung.

Stadtteileinrichtungen wie Quartierszentren oder Nachbarschaftshäusern wird in Wissenschaft und Praxis als Begegnungsorten eine Schlüsselrolle für die Förderung gruppenübergreifender Kontakte zugesprochen. Mit ihren organisierten Angeboten schaffen sie auf Quartiersebene vielfältige Begegnungsmöglichkeiten, speziell auch für „interkulturelle Annäherungsprozesse“. Allerdings limitieren verschiedene Faktoren die Wirkmöglichkeiten dieser Angebote – auch hinsichtlich des Abbaus von Vorurteilen. Der Beitrag diskutiert zentrale Herausforderungen auf:

(1) Ebene der Angebote (u. a. richtungsoffener Ausgang der Angebote trotz vorstrukturierter Kontaktsituation; unbewusste Reproduktion von Gruppengrenzen/stereotypen Bildern durch Angebotsgestaltung; konfligierende Erwartungshaltungen von Teilnehmenden)

(2) Ebene der Einrichtungen (u. a. fehlende Kontinuität in Angebots- und Personalstrukturen durch die Abhängigkeit von Förderlogiken übergeordneter politisch-administrativer Ebenen; fehlende Reichweite und Selektivitäten in den Nutzer*innenstrukturen)

(3) Ebene der kommunalen Verwaltung und Politik (u. a. mangelnde Einbettung der Begegnungsarbeit in kommunale Konzepte und Strategien)

Aus diesen Limitationen ergeben sich zwar konkrete Gestaltungsoptionen, um die Erfolgsaussichten begegnungsfördernder Aktivitäten zu erhöhen. Trotz allem bleiben durch solche Ansätze – wie der Beitrag abschließend kritisch in den Fokus rückt – die strukturellen Ursachen von Vorurteilen (z. B. Status- oder Ressourcenkonflikte) unberührt. Angesichts der Popularisierung von begegnungsfördernden Maßnahmen in der sozialen Quartiersentwicklung seit der Fluchtmigration 2015/16 gilt es vor allem politisch-planerische Kreise dafür stärker zu sensibilisieren, werden hier doch oftmals begegnungsfördernde Aktivitäten als vergleichsweise einfach zu realisierende und unmittelbar Erfolg versprechende Maßnahmen angesehen, um diagnostizierte Probleme im Zusammenleben zu lösen.

Der Beitrag basiert auf empirischen Erkenntnissen aus dem Forschungsprojekt „Begegnung schaffen: Strategien und Handlungsansätze in der sozialen Quartiersentwicklung“ (Laufzeit 2019-2022), in dem in einer qualitativen Untersuchung die begegnungsfördernden Aktivitäten von Stadtteileinrichtungen in vier ausgewählten Quartieren verschiedener Städte kritisch analysiert wurden.