Co-Transformation durch kontextsensitive Partizipation in der Planung: Ein Plädoyer für eine transdisziplinäre Planung?!
Abstract
Die Energiewende als sozio-technische Transformation hat in ihrer Dringlichkeit und Aktualität nochmal an Deutlichkeit gewonnen. Sie geht mit zahlreichen Eingriffen in kulturell gewachsene Landschaftsbilder, insbesondere im ländlichen Raum (z. B. durch Stromtrassen, Anlagen Erneuerbarer Energien) einher. Dadurch kann sich die Prägung einer Region verändern, beispielsweise von einer Energieerzeugungsregion in eine Prosumenten-Region. Dies hat auch Wirkungen auf kulturelle und soziale Praktiken und damit verbundene kollektive Identitäten. Räumliche Identität wird dabei u.a. davon geprägt, welche Energieträger für die Region kulturhistorisch besonders bedeutsam waren und welche Rolle die Region im Energiesystem einnimmt (Brohmann et al. 2021). Insbesondere das Place Attachment (Altmann/Low 1992), also die kulturellen, kognitiven und emotionalen Bindungen und Wahrnehmungen zu einem Ort oder einer Region, haben einen Einfluss auf die Akzeptabilität von unterschiedlichen Infrastrukturprojekten im Bereich erneuerbarer Energien aber auch darüber hinaus (vgl. Knaps et al. 2022). Die Mehrheit der Bürger*innen erkennt die Notwendigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien und die Energiewende als Ganzes an. Bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen vor Ort zeigen sich jedoch große regionale Unterschiede hinsichtlich der Akzeptanz, bedingt durch unterschiedliche Ausgangsbedingungen (Bridge/Gailing 2020). Eine ergebnisoffene Partizipation sowie die Berücksichtigung räumlicher Identitäten können den Ausbau von erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen unterstützen (Llewellyn et al. 2017). Hierbei sollte eine kollaborative Planung und Partizipation auch in formellen Planungsverfahren angestrebt werden (Schmidt/Kelly 2021). Denn gerade in der formellen Öffentlichkeitsbeteiligung überwiegen starre Partizipationsformen, sodass sich Betroffene vor Ort als zu spät oder nicht involviert sehen und Planungen daher häufig ablehnend gegenüberstehen (sog. Beteiligungsparadoxon). Zudem führen als ungerecht empfundene Verteilungseffekte häufig zu Widerstand. Ein transdisziplinärer Forschungsansatz unterstützt die kollaborative Entwicklung und Erprobung regional bzw. lokal angepasster partizipativer Prozessgestaltung und kann so wichtige Hinweise für Beteiligungsanforderungen an eine akzeptable Energiewende vor Ort geben. Dabei nimmt auch die identitätsstiftende Wirkung von partizipativer Visionen- und Narrativentwicklung eine besondere Bedeutung ein. Unser Beitrag basiert u. a. auf Erkenntnissen aus dem Kopernikus-Projekt ENSURE, in welchem in einer Energiewende-Region in Schleswig-Holstein (Kreis Steinburg) gesellschaftliche Anforderungen an Planung und die Bedeutung räumlicher Identitäten untersucht wurden. Im ENSURE-Projekt wurden in einem transdisziplinären Ansatz eine Partizipationszyklusanalyse entwickelt und in Form eines Co-Transformationsansatzes basierend auf einem raumsensiblen Long-Term Governance-Ansatz weiter ausgearbeitet (Kelly/Mbah eingereicht; Mbah/Kuppler 2021).