Der hörsame Raum? Auditive Geographien als didaktische Gestaltungselemente auf Exkursionen

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 0.106
Autor*innen
Thomas Brühne (Universität Koblenz)
Kurz­be­schreib­ung
Auditive Wahrnehmungsprozesse sowie die Fähigkeit des räumlichen Hörens stehen selten im Fokus der Geographie und ihrer Didaktik. In dem Beitrag sollen konzeptionelle Zugänge zum Einsatz binauraler Technologie auf Exkursionen aufgezeigt und didaktische Potentiale zur Diskussion gestellt werden.
Schlag­wörter
Auditive Geographien, räumliches Hören, binaurale Aufnahmen, auditive Wahrnehmung, Exkursionen

Abstract

In der geographiedidaktischen Diskussion scheint die gezielte Nutzbarmachung auditiver Wahrnehmungsprozesse trotz ihrer entwicklungspsychologischen Bedeutsamkeit ein Nischendasein zu fristen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht nur in der Geographiedidaktik, sondern auch in den Fachwissenschaften eine Vormachtstellung visueller Geographien bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Auditiven festzustellen. Dadurch konnte über die Jahre ein nicht unerhebliches Forschungsdesiderat entstehen.

Auditive Geographien stellen einen neuen fachdidaktischen Zugang dar, mit dem die auditive Wahrnehmung sowie das räumliche Hören gefördert werden sollen. Mithilfe binauraler Technologie können insbesondere auf Exkursionen geographisch lernwirksame Umgebungsgeräusche und Geräuschkulissen aufgenommen werden. Hierbei handelt es sich um zeitunabhängige technische Reproduktionen des räumlichen Hörens. Die Digitalisierung auditiv dokumentierter Exkursionsmomente oder -abschnitte ermöglicht eine langfristige Sicherung geographisch vor Ort erarbeiteter oder entdeckter Problemstellungen. Mit der Dokumentation in sich überlagernder Geräuschkulissen lassen sich beispielsweise solche Problemstellungen aus der Gesellschaft-Umwelt-Forschung „veranhörlichen“, die zwar in unserem Alltag omnipräsent erscheinen mögen, jedoch in den seltensten Fällen von der Gesellschaft gezielt auditiv wahrgenommen oder hinterfragt werden. Die spätere Konfrontation mit auditiven Geographien fordert den Rezipienten unmittelbar zum intensiven Hören auf. Es entstehen spannende Momente auditiv geleiteter Rekonstruktion(en) von räumlichen Strukturen, Funktionen oder Prozessen.

Mit auditiven Geographien ist der Gedanke verbunden, den erlebten Raum einmal nicht (nur) durch Bilder und Beschreibungen, sondern durch die Dokumentation akustischer Umgebungen näher zu bringen. Jede Aufnahme birgt eine zunächst unbekannt erscheinende Geräuschkulisse in sich, die es beim Hören individuell zu entdecken und thematisch zu entschlüsseln gilt. Auditive Geographien gehen ins Ohr und bleiben im Kopf. Ihre Rezeption ermöglicht es uns, das zu hören, was zu sehen uns in der Realität nicht möglich ist.