Die Digitalisierung als elementarer Baustein der Mobilitätswende

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 7
Autor*innen
Michael Bauder (Freiburg)
Kurz­be­schreib­ung
Basierend auf umfangreichen empirischen Erfahrungen sowie aktuellen Forschungen zur Thematik gibt der Beitrag einen tieferen Einblick, welche Rolle Digitalisierung im Wandel der Mobilitätspraktiken und des Bewusstseins zur Erreichung einer Mobilitätswende im urbanen Kontext spielen kann.

Abstract

„Wie kann die Transformation urbaner Mobilität im Sinne einer echten Mobilitätswende (Sack et al. 2023), und nicht nur einer Antriebswende, schnellstmöglich gelingen“ ist nicht nur die Ausgangsfrage dieses Beitrag, sondern auch die Grundfragestellung zeitgemäßen kommunalen Handels im Mobilitätsbereich. Basierend auf empirischen Erfahrungen im kommunalen Kontext aus erster Hand, sowie aktuellen Forschungen zur Thematik gibt der Beitrag einen tiefen Einblick, welche Rolle Digitalisierung im Wandel der Mobilitätspraktiken und des Bewusstseins spielen kann und warum dies nicht schon ausgeschöpft wurde.

Viele praxisbezogene Studien zeigen, dass Bequemlichkeit (inkl. Zuverlässigkeit & Flexibilität) neben dem Preis eine zentrale Rolle bei der Wahl der Mobilitätsform spielt (Kauschke und Maringer 2018; Bartz 2015). Die Bequemlichkeit ist in vielen Punkten jedoch pfadabhängig von Infrastrukturentwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte, bspw. beim verfügbaren (Straßen)Raum, der Vielfalt (und Finanzierung) des Angebots und dessen Flächendeckung und dadurch oft (noch) auf Automobilität ausgerichtet (Bardua und Kähler 2012; Guerra et al. 2023). Das Durchbrechen dieser Pfadabhängigkeit urbaner Mobilitätsplanung über infrastrukturelle Maßnahmen ist unerlässlich und wichtig, aber aufgrund der Planungspraxis und kommunalen Finanzausstattung eine langfristige Maßnahme. Eine monomodale Bequemlichkeitserhöhung (z.B. durch ein flächendeckendes Radnetz) kann daher in diesem Jahrzehnt noch nicht den gewünschten Beitrag zur Mobilitätswende leisten (Graf 2020). Hier kann aber die Digitalisierung Erfolge erzielen, indem sie über Mobility-as-a-service eine multimodale „Bequemlichkeit“ schafft, die eine Alternative zum Auto kreiert, insbesondere, wenn damit auch noch Preisvorteile ggü der Automobilität einhergehen (Scheier et al. 2021). Die Digitalisierung der Mobilität kann damit zu einer nachhaltigen Bewusstseins- und Praktiken-Änderung führen und auch eine inklusivere Mobilität gestalten (Clark und Curl 2016).

Der Weg zur diesbezüglich notwendigen Digitalisierung ist aber mit diversen Stolpersteinen belegt, die der Beitrag aus der Praxis heraus aufzeigt: Finanzielle Mittel, personelle Kapazitäten, geeignete IoT-Plattformen und Datenportale, gestalterische Wille, eine positive Fehlerkultur, sowie eine intrakommunale Bereitschaft sind vielerorts noch nicht vorhanden. Zudem stehen wir vor der Herausforderung, die Stakeholder zur Implementierung multimodaler Mobilitätsketten zusammen zu bringen und die diesbezüglichen Rollen und Konflikte zu klären. Der Beitrag gibt erste-Hand-Erfahrungen, warum dies der Fall ist – denn so einfach wie das „von außen“ aussieht, ist es für Kommunen leider nicht. Und als ob das nicht genug wäre sind einige Risiken einer digitalen Mobilität bereits sichtbar: Rebound-Effekte; Plattformökonomien und –monopole; und neue Formen der Mobilitäts-Exklusion, wenn Digitale Mobilität als „Spielzeug für reiche Jungs“ verkommt (Docherty et al. 2018)