Die Grenze als Konzept zur Analyse missions-orientierter Innovationssysteme
Abstract
Missionsorientierte Innovationssysteme sollen in der Lage dazu sein, neben ökonomischen auch sozial-ökologische Ziele zu verfolgen und Pfadabhängigkeiten zu überwinden. Der Aufbau und die Governance missionsorientierter Innovationssysteme ist bislang jedoch kaum geographisch konzeptualisiert (Hekkert et al., 2020), u.a. weil unklar ist, wodurch sie sich von herkömmlichen Innovationssystemen unterscheiden. Ich argumentiere, dass sich missionsorientierte Innovationssysteme von herkömmlichen Innovationssystemen anhand ihrer Grenzen unterscheiden bzw. eine Rekonfiguration von Grenzen notwendig ist, um Innovationssysteme an Missionen auszurichten. Grund dafür ist, dass herkömmliche Innovationssysteme sozialökologische Probleme und deren Lösung ausgrenzen. Deshalb schlage ich vor, die Grenzen von Innovationssystemen nicht wie bislang üblich als methodologisches, sondern als analytisches Konzept zu verstehen (Bergek et al., 2015; Binz et al., 2014). Ich entwickle ein solches analytisches Konzept der Grenze, indem ich territoriale, skalare, organisationale und technologische Grenzen unterscheide, wobei ich für einen weiten Technologiebegriff plädiere, der angewandtes Wissen unterschiedlicher Disziplinen umfasst (Meißner, 2002, S. 10). Basierend auf diesem konzeptionellen Rahmen analysiere ich die Grenzen des deutschen Innovationssystems für Wasserstofftechnologien. Die Analyse beruht auf Daten, die im Zuge teilnehmender Beobachtungen sowie von 28 Expert*inneninterviews gewonnen wurden. Es zeigt sich, dass verschiedene Grenzen des Innovationssystems für Wasserstofftechnologien umstritten sind und eine Rekonfiguration an verschiedenen Stellen wünschenswert ist, um die Kapazitäten des Systems zur Erfüllung seiner Mission zu fördern. Politisch besonders herausfordernd ist dabei die Rekonfiguration kongruenter Grenzen, wie zum Beispiel organisationaler (Parteien), territorialer (Bundesländer) und technologischer (Brennstoffzellen) Grenzen, da kongruente Grenzen sich gegenseitig stabilisieren und damit Pfadabhängigkeiten vertiefen.