Die Stadt als Soziale Fabrik und Küche: Zur räumlich technischen und politischen Zusammensetzung von Barcelona-Sants

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 12
Autor*innen
Martin Sarnow (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)
Kurz­be­schreib­ung
Ausgehend von historisch-materialistischen Theorieansätzen und breitem empirischen Material zeigt der Beitrag anhand des Fallbeispiels Barcelona-Sants, wie verräumlichte Gemeinschaften aktiv produziert werden und sich entlang sozialer und Klassenkämpfe immer wieder erneuern.

Abstract

Mit der Bezeichnung der Stadt als Soziale Fabrik und Küche rekurriert der Beitrag auf einen ope-raistischen Ansatz, der die Bedingungen der Kapitalakkumulation nicht auf Produktionsprozesse beschränkt, sondern das Zusammenspiel von Produktion, Zirkulation, Konsumtion und Repro-duktion in der Stadt in den Blick nimmt. Daran schließt das Konzept der Klassenzusammenset-zung an, welches die Organisierung der Arbeitskraft (technische Zusammensetzung) mit der Or-ganisation der Arbeiter*innenklasse (politische Zusammensetzung) in Beziehung setzt. Weiter-führend untersucht die „technische räumliche Zusammensetzung“ (Gray 2018) die räumliche Organisierung der kapitalistischen Produktionsweise.

Mit Blick auf das untersuchte Beispiel – den Stadtteil Sants in Barcelona – macht dieser Beitrag deutlich, wie Investitionen in Wohnraum und Boden – als zentrale Stützen der Kapitalakkumula-tion – auf die sozial-räumlichen Beziehungen im Untersuchungsgebiet wirken. Aus diesen spezi-fischen Entwicklungen gehen urbane soziale Bewegungen und Kämpfe hervor, die tief mit Pro-zessen der Raumproduktion verwoben sind und zur De- und Rekomposition von Klasse beitra-gen können (Clare 2018). Darunter fallen Kämpfe gegen Zwangsräumungen und Wohnungsnot, ein breites Netzwerk an Nachbarschaftszentren sowie selbstverwaltete Infrastrukturen in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Kultur. Diese Kämpfe zielen sowohl auf die konkrete Verbesse-rung der materiellen Lebensbedingungen der Stadtteilbewohner*innen, als auch auf den Aufbau kollektiver und solidarischer Beziehungsweisen ab.

Barcelona-Sants kann in diesem Sinne als eine alternative Territorialisierung begriffen werden, mit der eine kollektive politische Subjektivität erzeugt wird. Auf deren Grundlage organisieren sich die Bewohner*innen gegen die hegemoniale technisch räumliche Zusammensetzung, basie-rend auf Immobilienspekulation, Zwangsräumungen, Tauschwert und Privateigentum, und kön-nen diese bis zu einem gewissen Grad herausfordern. Zentral für diese politische räumliche Zu-sammensetzung ist ein Klassenbewusstsein, das an die Geschichte und Territorialität von Sants gebunden ist. Mit der Memoria Histórica wird eine aktive Geschichtsschreibung von unten be-trieben, die an die von Arbeiter*innenkämpfen durchzogene Geschichte des Stadtteils erinnert. Die Zusammensetzung dieser Kämpfe ist Ausdruck einer internationalen, stark feminisierten und prekarisierten Arbeiter*innenklasse. Damit einher geht eine Rekonfiguration der Reproduktions-phäre, die Stadt kann demnach als Soziale Fabrik und Küche verstanden werden.

Ausgehend von historisch-materialistischen Theorieansätzen und breitem empirischen Material (Interviews, teilnehmenden Beobachtungen) zeigt der Beitrag anhand des Fallbeispiels Barcelona-Sants, wie verräumlichte Gemeinschaften aktiv produziert werden und sich entlang sozialer und Klassenkämpfe immer wieder erneuern.