EEG²: Wie Environmental und Evolutionary Economic Geography zur Erklärung der Entwicklung touristischer Destinationen in Zeiten des Klimawandels beitragen können

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 4
Autor*innen
Marius Mayer (HS München)
Bruno Abegg (Universität St. Gallen)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag skizziert das Erkenntnispotential einer Kombination aus umweltorientierter und evolutionärer Wirtschaftsgeographie für die Erklärung der Entwicklung touristischer Destinationen unter dem Einfluss des Klimawandels anhand des Fallbeispiels der Alpinen Gletscherskigebiete.

Abstract

Die Erklärung der Entwicklung von touristischen Destinationen ist eines der wichtigsten Forschungsfelder der Tourismusforschung zu dem die Geographie bereits bedeutende Beiträge geliefert hat; zuletzt in Form von Ansätzen der evolutionären Wirtschaftsgeographie (EWG). Was diesen Ansätzen aber zumeist fehlt (oder nur implizit unter Kontextualität verbucht wird), ist die Berücksichtigung der physischen Umwelt, die gerade für touristische Aktivitäten aber wesentlich ist (etwa Klima/Witterung im Wintersporttourismus). Aus diesem Grund soll dieser Vortrag aufzeigen, inwiefern die Perspektive einer umweltorientierten Wirtschaftsgeographie (UWG) in Kombination mit Ansätzen der EWG einen Beitrag zur Erklärung der Entwicklung touristischer Destinationen unter dem Einfluss des Klimawandels leisten kann und damit eine wesentliche Lücke der bestehenden Literatur schließen könnte. Eine Synthese aus UWG und EEG zu einer EEG² wurde 2013 bereits von Patchell und Hayter angeregt denen zu Folge Institutionen ein Verknüpfungspunkt beider Ansätze sein könnten.

Basierend auf diesen Überlegungen stellen wir das Fallbeispiel der Alpinen Gletscherskigebiete vor, die wie kaum ein anderer Destinationstyp bereits von den Auswirkungen der Klimaerwärmung betroffen sind. Unter Verwendung eines Mix-Methods-Ansatzes untersuchen wir raumzeitliche Diffusion sowie Entwicklungspfade und suchen nach Erklärungen für die Evolution der Destinationen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass diese Evolution ohne die Beleuchtung der Umweltfaktoren (zu denen nicht nur Klima und Witterung, sondern etwa auch die Geomorphologie des Gebietes gehört) nicht sinnvoll erklärbar wäre. Allerdings zeigt sich auch, dass die Effekte der Klimaerwärmung nur einer von mehreren Erklärungsfaktoren für die stark differierenden Entwicklungspfade der alpinen Gletscherskigebiete sind und in diesem Kontext keinesfalls von einem Klima-Determinismus gesprochen werden kann. Dies wird dadurch offenbar, dass es Destinationen mit sehr ähnlicher glazialmorphologischer Entwicklung gibt, die aber touristisch deutlich abweichende Pfade eingeschlagen haben. Wie von UWG und EWG postuliert, spielt der institutionelle Hintergrund eine bedeutende Rolle (Schutzgebietsausweisungen, komplexere Genehmigungsverfahren), die Human Agency der Betreiber*innen, allgemeine touristische Trends (Niedergang des Sommerskilaufs) – die Nachfrageseite ist in der auf Destinationen bezogenen EEG tendenziell unterbelichtet – sowie, wenig überraschend, die Ressourcenausstattung (finanziell, Know-How).

Diese Synthese aus UWG und EWG könnte die geographische Destinationsforschung bereichern, und zwar nicht nur für vom Klimawandel betroffene Destinationen, sondern für sämtliche Tourismusformen mit mehr oder weniger starkem Natur- und Umweltbezug.

Literatur

Patchell, J., & Hayter, R. (2013): Environmental and evolutionary economic geography: Time for EEG2?. In: Geografiska Annaler: Series B, Human Geography, 95 (2): 111–130.