Eine prozedural gerechte Verkehrswende durch Öffentlichkeitsbeteiligung? Eine mixed-methods Untersuchung des Planungsprozesses freiRaum Ottensen in Hamburg
Abstract
Die Beteiligung der Öffentlichkeit an politischen Entscheidungen über Wahlen und formelle Auslegung hinaus ist aus einem zeitgemäßen Planungsverständnis nicht mehr wegzudenken und wird von der Bevölkerung gefordert. Auch bei Planungen zur sozial-ökologischen Transformation urbaner Mobilität wird verstärkt auf Öffentlichkeitsbeteiligung gesetzt, vonseiten der Kommunen meist auf Konsultation. Oft ist damit die Hoffnung verbunden, Ungerechtigkeiten in traditionellen Planungsansätzen entgegenzuwirken: Neben einer Verbesserung der distributiven Gerechtigkeit und der Anerkennung unterschiedlicher Bedürfnisse wird Öffentlichkeitsbeteiligung als potentielles Mittel zur Erhöhung der prozeduralen Gerechtigkeit angesehen, indem sie insbesondere marginalisierte Gruppen in Planungsprozesse einbezieht, ihnen Ausdrucksmöglichkeiten gibt und ihre Beiträge in das Planungsergebnis einbezieht (Alcántara et al. 2016).
Auch wenn Konsultationen Planungsprozesse für die Bevölkerung öffnen und damit Potential für eine größere prozedurale Gerechtigkeit bieten garantieren sie diese nicht. Eine einseitige Teilnahme dominanter gesellschaftlicher Gruppen oder eine geringe Auswirkung der Konsultation auf Entscheidungen können gegenteilige Effekte bedingen (Young 2010). Uns interessiert, unter welchen Umständen Konsultation zu prozeduraler Gerechtigkeit in der Verkehrswende beitragen kann.
Dazu betrachten wir als Fallstudie den Planungsprozess freiRaum Ottensen zur Umwandlung des zentralen Hamburger Stadtteils in ein autoarmes Viertel, bei dem verschiedene Formate konsultativer Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wurden.
Auf der Grundlage eines theoriebasierten Frameworks für prozedurale Gerechtigkeit (Smith 2009; Geissel und Newton 2012) betrachten wir verschiedene Stufen des Partizipationsprozesses, von der Zusammensetzung der Teilnehmenden, deren Möglichkeit, sich einzubringen und zu interagieren bis hin zur Integration der Beiträge in die politische Entscheidung. In einem Mixed- Methods-Ansatz kombinieren wir die Perspektive der Bevölkerung und der Teilnehmenden - basierend auf einer Bevölkerungsbefragung - mit einer Einschätzung auf Grundlage qualitativer Interviews und teilnehmender Beobachtung. Unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus beiden Ansätzen diskutieren wir, wie die Konsultation zu prozeduraler Gerechtigkeit beigetragen hat, und schließen mit möglichen Implikationen für die Gestaltung von Planungsverfahren.
Literatur:
Alcántara, Sophia, Nicolas Bach, Rainer Kuhn, und Peter Ullrich. 2016. Demokratietheorie und Partizipationspraxis. Wiesbaden: Springer Fachmedien.
Geissel, Brigitte, und Kenneth Newton (Hrsg.). 2012. Evaluating democratic innovations: Curing the democratic malaise? Abingdon, Oxon: Routledge.
Smith, Graham. 2009. Democratic innovations: Designing institutions for citizen participation. Cambridge: Cambridge University Press.
Young, Iris Marion (2010): Inclusion and democracy. Repr. Oxford: Oxford University Press (Oxford political theory)