Emotionen und Affekte im Kontext regionaler Entwicklung: Zu einer Wirtschaftsgeographie des Emotionalen
Abstract
Während Emotionen oder Affekte in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen – darunter auch die Sozialgeographie – in den letzten Jahren verstärkt Beachtung gefunden haben, wird ihnen im Zusammenhang mit der Analyse regionalwirtschaftlicher Entwicklungen in aller Regel nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Der vorliegende Vortrag nimmt dies zu seinem Ausgangspunkt und argumentiert, dass Emotionen und Affekte unter bestimmten Bedingungen kollektive Narrative anregen und zur Ausbildung einer bestimmten Atmosphäre in einer Region beitragen können. In ihrem systematischen Zusammenwirken können Atmosphären und kollektive Narrative maßgeblich Einfluss auf regionale Entwicklungspfade nehmen: So können beispielsweise auf kollektiven Emotionen und Affekten beruhende regionale Abstiegsnarrative in vernachlässigten Räumen zur Ausbildung einer von außen als negativ wahrgenommenen Atmosphäre in einer Region beitragen, die internationale Arbeitskräfte oder TouristInnen dauerhaft fernhält und/oder die Stabilität regionaler Zuliefer-/Abnehmerbeziehungen beeinträchtigt. Als besonders problematisch erweisen sich dabei solche Situationen, in denen sich derartige Atmosphären so verfestigen, dass sie sich – wenn überhaupt – nur unter Einsatz erheblicher Ressourcen verändern lassen („emotionales Lock-In“). Umgekehrt sind in der Literatur auch solche Atmosphären beschrieben, die anziehend auf Akteure wirken, wie beispielsweise im Kontext florierender Start-up-Ökosysteme.
Für die Regionalpolitik impliziert eine stärkere Berücksichtigung kollektiv geteilter Emotionen eine veränderte Sichtweise, scheinen doch insbesondere solche Instrumente vielversprechend, die eine Erfassung und Bewertung von Atmosphären ermöglichen bzw. emotionalen Lock-Ins frühzeitig entgegenwirken.
Der vorliegende, konzeptionell ausgerichtete Vortrag zielt darauf ab, die hier angerissenen Zusammenhänge und damit in Verbindung stehende Forschungsfragen sowie regionalpolitische Implikationen systematisch herauszuarbeiten und für künftige wirtschaftsgeographische Analysen fruchtbar zu machen.