Endlich(e) Wohnfläche für alle? Ein vergleichender Blick auf Instrumente der Wohnflächenbegrenzung

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
SH 2.106
Autor*innen
Anton Brokow-Loga (Bauhaus-Universität Weimar)
Miriam Neßler (ILS)
Kurz­be­schreib­ung
Begrenzung und Umverteilung des (bestehenden) Wohnraums sind Kernelemente einer sozial-ökologischen Transformation der Wohnraumversorgung. Wo liegen Grenzen und Potenziale von historischen und aktuellen Instrumenten der Wohnflächenbegrenzung - und was können wir daraus lernen?
Schlag­wörter
Wohnungsfrage, Klimakrise, Wohnfläche, Suffizienz, sozial-ökologische Wohnungspolitik

Abstract

Angesichts der ökologischen Folgen, die mit einem steigenden Pro-Kopf-Verbrauch und dem Neubau von Wohnraum einhergehen, ist es wichtig, dass sich ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür entwickelt, dass (Wohn‑)Fläche ein wertvolles – und begrenztes – Gut ist. Der kritische Blick auf die Quadratmeterzahl der eigenen Wohnung ist daher gewiss als Teil eines (klima)bewussten Lebensstils zu sehen. Doch die Frage danach, wie viel Wohnraum „genug“ ist, darf nicht nur individuell gestellt werden. Vielmehr sollte der Blick auf die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gerichtet werden, die zu fehlendem „Bodenbewusstsein“ (Enbergs 2005) und mangelnder Flächensuffizienz, gleichzeitig aber auch zum Paradox des oft unfreiwilligen flächensparenden Wohnens von Menschen mit geringem Einkommen oder Diskriminierungserfahrungen beitragen. Das Ziel einer sozial-ökologischen Wohnraumpolitik sollte daher darin bestehen, die Verteilungsmechanismen des (bestehenden) Wohnraums zu hinterfragen und neu zu justieren.

Ein individuelles Flächenbewusstsein, politische Sensibilisierungsangebote und kommunale Wohnungstauschplattformen können wichtige Bausteine zur Bearbeitung dieser Frage sein. Der Elefant im Raum wird bei diesen Ansätzen jedoch ausgespart: Nötig wären Instrumente der Wohnflächenbegrenzung und gerechten -umverteilung. Dass diese politischen Instrumente nicht wirklichkeitsfremd sind, sondern tatsächlich existier(t)en und entweder vergessen oder wenig sichtbar sind, thematisiert dieser Beitrag. Anhand einer vergleichenden Betrachtung der Wohnraumzwangsbewirtschaftungsgesetze in den Nachkriegsjahren, der Bestimmungen zu „angemessener Wohnfläche“ im Sozialleistungsbezug sowie der freiwilligen Lebensstilperspektive bei der Vergabe von Wohnraum (z.B. in genossenschaftlichen Tiny House Projekten) werden Kontexte und Wirkungsweisen wohnflächenbegrenzender Instrumente deutlich gemacht. Insbesondere die dadurch entstehenden und entstandenen Problematiken werden im Beitrag analysiert und reflektiert.

Im Beitrag sollen kritische Punkte, aber auch konstruktive Ansätze für ein sozial-ökologisch motiviertes Instrumentarium zur Wohnflächenbegrenzung herausgearbeitet und diskutiert werden. Obwohl – oder gerade weil – gesellschaftliche und politische Dynamiken momentan kaum darauf hinweisen, dass im Bereich der Wohnflächenbegrenzung und -umverteilung schnelle und radikale Veränderungen greifbar sind, weist der Beitrag durch die historischen und aktuellen Beispiele auf deren prinzipielle Machbarkeit hin. Auch wenn dabei eine starke Varianz der drei Vergleichsfälle berücksichtigt werden muss, ist die explorative und transdisziplinäre Ausarbeitung dieser Perspektive zentral für die gleichzeitige Bearbeitung von Wohnungsfrage und Klimakrise.