Energy Citizenship als kritische Sicht auf Bürger*innenbeteiligung im Spannungsfeld eines dezentralisierten, demokratischen Energiesystem

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 13
Autor*innen
Ariane Debourdeau (TU Berlin)
Catharina Lüder (TU Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Anhand einer Typologie zu Energy Citizenship wird das Versprechen der Teilhabe an der Energiewende durch finanzielle Bürger*innenbeteiligung kritisch hinterfragt.
Schlag­wörter
Partizipation, Teilhabe, Energy Citizenship, finanzielle Bürger*innenbeteiligung

Abstract

Jenseits des Akzeptanz-Paradigmas setzt sich der Beitrag kritisch mit der Annahme auseinander, die lokale „Akzeptanz“ für Anlagen erneuerbarer Energien spiele für die Energiewende die zentrale Rolle – so eine weitläufige Ansicht im Praxisfeld der Erneuerbaren. Argumentiert wird häufig mit der dadurch entstehenden Teilhabe an der Energiewende. Die entsprechenden Beteiligungsformen erweisen sich jedoch als begrenzt, denn sie beschränken sich auf eine marktorientierte Auffassung des zivilgesellschaftlichen Engagements in der Energiewende durch finanzielle Anreize und finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten (Lennon, 2019). Wir nutzen das theoretische Konzept des Energy Citizenship, um die vielfältigen Formen von bürgerschaftlichem Engagement in der Energiewende zu beleuchten und diskutieren anhand eines Fallbeispiels, inwiefern dieses Konzept uns ermöglicht, die Vielfalt des Engagements besser zu verstehen und zu unterstützen.

Die im EU-geförderten Projekt EnergyProspects entwickelte konzeptionelle Typologie des Energy Citizenship erlaubt die Einordnung von „Formen individueller und kollektiver Praktiken, durch die sich Bürger*innen direkt oder indirekt mit einem bestimmten Aspekt der Energiewende bzw. energiebezogenen Fragestellungen in Beziehung setzen“ (Debourdeau 2023). Diese Typologie wurde im Rahmen des EU-Projekts auf unterschiedliche Weise empirisch vertieft. Im Beitrag wird die Typologie erneut anhand eines „externen“ Fallbeispiels verwendet, um die digitale, finanzielle Bürger*innenbeteiligung als Partizipationsform der Energiewende kritisch auf ihre tatsächliche Anregung von Teilhabe zu beleuchten. Es stellt sich die Frage, ob finanzielle Beteiligung überhaupt eine aktive Energiebürger*innenschaft begünstigen kann. Die Typologie regt in diesem Sinne die Diskussion an, welche weiteren Formen der Partizipation in der Ausweitung der Energiewende eine Rolle spielen. Damit lässt sich die bestehende Engführung auf ein marktorientiertes Verständnis von Beteiligung überwinden.

Anhand der Verschneidung von Erkenntnissen beider Projekte können wir kritisch reflektieren, welche Vorstellungen von Partizipation und Teilhabe in der Energiewende existieren und inwiefern diese Vorstellungen eine Demokatisierung des Energiesystems fördern oder hemmen. Demokratisierung des Energiesystems bedeutet für uns, dass Fragen wie „Wer entscheidet über die Ausgestaltung des Energiesystems?“, „Wer profitiert von der Dezentralisierung des Energiesystems?“ oder „Wie werden gesellschaftliche Belange in verteilten Governance-Prozessen verhandelt?“.