Ernährungsgerechtigkeit in der Außer-Haus-Verpflegung? Schlüsselfaktoren und Herausforderungen für die Gestaltung nachhaltiger und diverser Ernährungssysteme in der Stadt

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 1.109
Autor*innen
Birgit Hoinle (Universität Hohenheim)
Kurz­be­schreib­ung
Wie kann die Außer-Haus-Verpflegung nachhaltiger, diverser und gerechter gestaltet werden? Mit der Perspektive von Food Justice und Intersektionalität analysiert dieser Beitrag Potentiale und Hemmnisse für eine sozialökologische Transformation der Schulverpflegung in Süddeutschland.
Schlag­wörter
Ernährungsgerechtigkeit, Schulessen, Transformation, Intersektionalität, Ernährungsräte

Abstract

Wie kann die Außer-Haus-Verpflegung nachhaltiger, diverser und gerechter gestaltet werden? Welche Rolle können zivilgesellschaftliche Initiativen, wie Ernährungsräte, für eine sozialökologische Transformation des Ernährungssystems spielen? Worin liegt das Potential intersektionaler Perspektiven zur Analyse von Herausforderungen der Ernährungsgerechtigkeit in der Außer-Haus-Verpflegung?

Mithilfe dieser Leitfragen fokussiert diese Studie auf den Bereich des Essens in Schulkantinen als Teilsektor der Außer-Haus-Verpflegung. Im Kontext neoliberaler Umstrukturierungen und der Externalisierung öffentlicher Dienstleistungen wurde die Schulverpflegung lange Zeit vernachlässigt und an externe Catering-Unternehmen ausgelagert. 89 % der Schulmensen in Deutschland werden über das Modell der Fremdversorgung beliefert (Jansen 2019: 70). In den öffentlichen Ausschreibungen zählt meist das billigste Angebot, Kriterien der Nachhaltigkeit (z.B. faire oder biologische Herkunft) werden selten, jedoch zunehmend berücksichtigt. Es besteht wenig Raum für die demokratische Beteiligung von Schüler*innen und Einbezug weiterer Anforderungen, wie etwa der Diversität und kulturell angepasster Speisenangebote. Mit der enormen Kaufkraft von Kommunen und der Vorbildfunktion öffentlicher Einrichtungen bietet jedoch gerade die Außer-Haus-Verpflegung und im Besonderen die Schulversorgung ein bislang unterschätztes Potential für die Gestaltung nachhaltiger Ernährungssysteme (Schanz et al. 2020; Speck et al. 2022). Dies fordert auch die aufstrebende Bewegung der Ernährungsräte, die sich für eine Demokratisierung kommunaler Ernährungspolitik einsetzt (Sieveking 2019).

Der Beitrag basiert auf einer Best-Practice-Analyse an ausgewählten Orten in Süddeutschland und theoretischen Perspektiven der Ernährungsgerechtigkeit und Intersektionalität (vgl. Rosol 2015; Motta 2021). Im Rahmen eines an die Aktionsforschung angelehnten transdisziplinären Ansatzes wurden die Fragestellungen im Austausch mit dem Netzwerk der Ernährungsräte entwickelt (u.a. bei einem Workshop im März 2023 in Köln). Im Zeitraum von Oktober 2021 bis Oktober 2022 wurden 17 explorative Interviews mit Akteur*innen entlang der Wertschöpfungskette der Schulverpflegung durchgeführt, darunter Produzent*innenverbände, Stadtverwaltungen, Catering-Betriebe, Elternverbände, Lehrkräfte und Schüler*innen. Um die Analysebausteine der Partizipation, Diversität und Nachhaltigkeit zu vertiefen, wurden zudem Expert*inneninterviews mit ausgewählten Akteur*innen gehalten. Der Beitrag hat zum Ziel aufzuzeigen, worin Gelingensbedingungen, Hemmnisse und Handlungsansätze für eine sozialökologische Transformation der Außer-Haus-Verpflegung liegen und warum der konzeptionelle Beitrag der Ernährungsgerechtigkeit und Intersektionalität dafür essentiell ist.