Forschungsperspektiven von regionalen „Geographien der Gesundheit“
Abstract
Henning Nuissl, Bastian Lange, Dilan Karataş, Valentin Domann
Im Kontext der großen Transformationserfordernisse des Anthropozän fragen wir, wie sich geographische Forschungsperspektiven auf die regionalen und lokalen Bedingungen für die Aufrechterhaltung von Gesundheit erschließen lassen. Dabei reflektieren wir zum einen die Engführungen des herkömmlichen Gesundheitsbegriffs, der – implizit oder explizit – zugrunde gelegt wird, wenn Gesundheit als Zielfunktion öffentlicher Daseinsvorsorge thematisiert und (etwa als Kennzahl der Versorgungsabdeckung) verräumlicht wird. Zum anderen stellen wir anknüpfend an die vor allem im angloamerikanischen Raum geführten Debatten zu „Geographies of Care“ konzeptionelle Bausteine der Perspektivierung und Erschließung von regionalen Care-Arrangements vor. Diese Arrangements umfassen sowohl die institutionellen Strukturen des Pflegesektors, aber auch anderer Bereiche der Gesundheitsversorgung (z. B. Demenz‑, Palliativversorgung), als auch die lebensweltlich situierten sozialen Beziehungen und Netzwerke, die jeden Menschen umgeben; ihnen liegt also die erweiterte Perspektive der Sorge-Arbeit (in Abgrenzung von der enger gefassten Pflegearbeit) zugrunde. Der Fokus liegt dabei insbesondere auf den Schnittstellen zwischen beiden Sphären – der institutionellen (des Pflegesektors) und der lebensweltlichen (der Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen) - sowie den neuen Akteuren und potentiell innovativen Praktiken im Rahmen von Care-Arrangements. In der empirischen Auseinandersetzung mit Care-Arrangements gilt unser besonderes Augenmerk zum einen der geschlechtlichen Perspektive, da Care-Arbeit überwiegend von Frauen innerhalb unbezahlter privater Reproduktionsarbeit oder entlohnt, aber prekär, in der Pflege- und Fürsorgearbeit geleistet wird. Zum anderen erörtern wir die möglichen Vor- und Nachteile einer vom biologischen Alter losgelösten Perspektive auf den Sorge- und Pflegebereich.
Unsere Überlegungen entwickeln wir am Beispiel des Landkreises Märkisch-Oderland sowie der Stadt Frankfurt (Oder), unseren Referenzräumen im Rahmen eines BMBF-geförderten Projektvorhabens zu sozialen Innovationen in strukturschwachen Regionen. Des Weiteren stellen wir methodische Bausteine einer Fall-sensitiven sowie ethisch-begründeten Felderschließungspraxis vor, die wir für die Entwicklung von „Geographien der Gesundheit“ als wichtig erachten. Über unserem Beitrag steht die Frage, inwiefern das Konzept der Care-Arrangements in der Lage sein kann, heterogene und kontextbezogene Geographien der Gesundheit im Verbund von sozial-ökologischen Ontologien zu informieren.