Gesundheit und Wohlbefinden im Radverkehr: Erforschung attraktiver und gesunder Fahrradrouten mittels ride-alongs und tragbaren Umweltsensoren
Abstract
Da Fahrradfahrende in der Stadt oft nahe des fließenden Verkehrs fahren, ist ihre Exposition gegenüber Umweltstressoren besonders hoch. Lärm und Luftschadstoffe, beispielsweise Feinstaub verursacht durch den motorisierten Verkehr, haben negative Auswirkungen auf die physische und mentale Gesundheit. In der Radverkehrsplanung spielen neben Faktoren wie Sicherheit auch zunehmend die gesundheitlichen Vorteile des Radfahrens eine Rolle, die potenziellen gesundheitlichen Belastungen durch Lärm oder Luftschadstoffe werden jedoch eher wenig berücksichtigt. In der Mobilitätsforschung ist das Thema aktuell verstärkt im Fokus: Studien involvieren Fahrradfahrende beispielsweise in Form von ‚citizens-as-sensor‘ Vorhaben, bei denen Fahrradfahrende mit mobilem Messgeräten ihre Belastung messen. Allerdings ist nicht nur die gemessene Belastung für attraktives Fahrradfahren relevant, auch die subjektive Wahrnehmung von Luftschadstoffen und Lärm sowie weiteren Faktoren, die das Fahrradfahren attraktiv machen, sind zu berücksichtigten. Das kann sich positiv auf den Anteil des Radverkehrs am Modal Split auswirken. Das Ziel dieser Studie ist es, Gesundheit und Wohlbefinden während des Unterwegsseins mit dem Fahrrad in den Fokus zu rücken. Dafür werden wahrgenommene und gemessene (Luftschadstoffe und Lärm) Faktoren untersucht, die Fahrradfahren angenehm, gesund und attraktiv machen. Zudem werden Möglichkeiten exploriert, gesunde Radverkehrsrouten zu gestalten und kommunizieren. Zuerst wurden (a) mobile qualitative Interviews (ride-alongs) mit Fahrradfahrenden in Berlin durchgeführt und mit tragbaren Sensoren zur Messung von Feinstaub und Lärm ergänzt. Weiterhin (b) wurden mittels Fokusgruppen die Informationsmöglichkeiten für ein gesundes und attraktives Fahrradfahren exploriert. Die Ergebnisse zeigen, dass der situative Kontext, die sensorische Wahrnehmung (Grünflächen/Wasser sehen/riechen) und soziale Aspekte (Menschen bei Freizeitaktivitäten) beeinflussen, ob das Unterwegsseins mit dem Fahrrad als gesund und angenehm empfunden wird. Diese Faktoren können in vergleichsweise hoch belasteten Gebieten ausgleichend wirken. Besonders das Vorhandensein von attraktiven Routenalternativen, beispielsweise im Nebennetz, wurde als wichtig erachtet – nicht immer in Übereinstimmung mit höher gemessenen Feinstaubwerten. Schleichwege durch wenig belastete Gebiete wurden als ausgleichende Routenabschnitte genannt. Mittels ride-alongs und tragbaren Messgeräten kann die Wahrnehmung, Routenwahl und Mobilitätspraktiken gemeinsam mit objektiven Messwerten in-situ vergleichen werden. Mittels Fokusgruppen konnte zudem über gesunde und belastete Routenwahl diskutiert werden. Die Studie zeigt Möglichkeiten auf, wie Erfahrungen, Wahrnehmungen und Praktiken von Radfahrenden in die Radverkehrsplanung eingebunden werden können, sodass die Radverkehrsplanung an die Nutzer*innenanforderungen angepasst stattfinden und letztendlich die Attraktivität des Fahrradfahrens gesteigert werden kann.