Geteilte Räume – geteiltes Leben? Companionship und Konvivialität mit Haustieren

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 10
Autor*innen
Sarah Mönkeberg (Universität Kassel)
Markus Kurth (Universität Kassel)
Kurz­be­schreib­ung
Anhand von empirischem Material zeigt der Beitrag aus soziologischer Perspektive, dass räumliche (An-)Ordnungen eine Schlüsseldimension für die Konstitution von Gefährtenschaft zwischen Haustieren und Menschen darstellen.
Schlag­wörter
Soziologie, Qualitativ, Tiergeographie, Mehr-als-menschliche-Georaphien, Raum

Abstract

Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, so genannte Haustiere zu halten und eine Kohabitation mit ihnen einzugehen. Diese Tiere werden im Unterschied zu anderen nicht menschlichen Tieren weder gegessen noch geschlachtet, und sie teilen mit ihren Halter*innen oftmals mehr als den bloßen Aufenthaltsort. Mit Donna Haraway (2003) lassen sich diese „Haustiere“ unter dem Begriff der „Companions“ fassen. Sie sind für Menschen in verschiedensten Hinsichten bedeutsam.

Aktuell untersuchen wir aus soziologischer Perspektive in dem von der DFG geförderten Projekt „Tiere als Gefährten“ (Projektnr.: 443785427), wie sich diese Bedeutsamkeit und der Gefährtenstatus von Tieren im konkreten Zusammenleben zwischen Tieren und Menschen konstituieren. In qualitativen Interviews befragen wir seit 2021 im deutschsprachigen Raum Halter:innen von Tieren verschiedener Spezies sowie Dienstleistende und Expter:innen in diesem Feld; in Felderhebungen beobachten wir Tier Mensch Interaktionen in situ.

Unsere empirischen Ergebnisse zeigen, dass Praktiken der räumlichen (An‑)Ordnung von Tieren und Menschen eine Schlüsseldimension für die Ausbildung des Gefährtenstatus von Tieren darstellen. Halter:innen nehmen vielfältige Änderungen in ihren Wohnumgebungen vor, wenn Tiere einziehen. Qualität und Ausmaß dieser Veränderungen sind abhängig vom konkreten Zusammenleben und den Beziehungsverläufen. Dadurch wird Gefährtenschaft als ein „Interspeziesarrangement“ erkennbar, welches mit vielfältigen Aushandlungsprozessen verbunden ist und an dem auch die zunehmende Expertisierung der Haustierhaltung ihren Anteil hat. Darüber hinaus sind für die räumlichen (An‑)Ordnungen spezifische Tierbilder der Halter*innen einflussreich. Hier erweist sich nicht nur nur die vielfach diskutierte Individualisierung und Vermenschlichung der Tiere als wirksam, sondern auch Vorstellungen von Artgerechtigkeit, die eher einem kollektivistischen und verallgemeinernden Tierbild entsprechen.

Insgesamt zeigt unser Beitrag so, wie unter Berücksichtigung der räumlichen Dimension ein Spektrum von Gefährtenbeziehungen sichtbar wird. Am ‚unteren Ende‘ dieses Spektrums stehen individualistische Beziehungsformen, die dem tradierten Typus der tierlichen „Companions“ entsprechen; am ‚oberen Ende‘ finden sich kollektivistische Beziehungsformen, die eher dem Typus der Konvivialität zuzuordnen wären (s. dazu van Dooren & Rose 2012). Sie adressieren ein Zusammenleben zwischen Tieren und Menschen in geteilten Räumen unter ethischer Berücksichtigung aller Beteiligten in ihrer Eigenart und lassen tierliche Agency zu. Unter dem Einfluss der Leitidee der Artgerechtigkeit können sich diese Beziehungen aber auch deutlich distanzierter gestalten als andere Auffassungen von Gefährtenschaft. Hier zeigen unsere Befunde, dass dies ein (erneutes) Potential zur räumlichen Grenzziehung nicht nur im interspezifischen Zusammenleben birgt, sondern auch hinsichtlich der humansozialen Einbindung der Halter:innen.