In geordneten Bahnen: Der Bahnenraum als Perspektive auf räumliche Verbindungen im Kapitalismus

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 1.101
Autor*innen
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag befasst sich mit der soziologischen Raumfigur des „Bahnenraums“ und bestimmt diesen Sozialraum als einen Prozess innerhalb der kapitalistischen Moderne. Die Raumfigur wird exemplifiziert am dänischen Sklavenhandel, der Pariser Kanalisation und der Privatisierung des Wassers in Bolivien.

Abstract

In raumsoziologischen Untersuchungen zur kapitalistischen Weltordnung nimmt die Raumfigur des Netzwerks oftmals eine zentrale Stellung ein. Mit dieser Figur wird etwa auf die Machtbeziehungen zwischen Staaten oder Regionen verwiesen und wie sie Zirkulation von Kapital und Materie ermöglichen. Leider wird selten darauf eingegangen welche sozialräumlichen Bedeutungen die Verbindungen selbst spielen. Im Anschluss an Martina Löw lassen sich viele dieser Verbindungen als Bahnen oder „Bahnenräume“ bezeichnen. Hiermit sind Sozialräume gemeint, die eben genau diese verbindende Funktion, in einer linearen und zielgerichteten Art und Weise erfüllen, wie die Autobahn. In meinem Vortrag will ich aufzeigen, welche zentrale Rolle die Bahn für die kapitalistische Weltordnung hat. Hierfür verstehe ich den (Bahnen)raum, in Bezug auf Henri Lefebvre, als einen gesellschaftlichen, somit historischen Prozess.

Erstens argumentiere ich, dass die Bahn ein Grundmerkmal des kapitalistischen Raums ist. Die Etablierung von mehrwertakkumulierenden Gesellschaften fand nicht nur innerhalb der imperialen Zentren statt, sondern beruhte auf der Ausbeutung der Peripherie, wie durch den Handel von Sklaven und Gütern entlang verschiedenster Seerouten. Dies werde ich am dänischen Sklavenschiffes „Fredensborg“ zeigen. Zweitens sollen Bahnen stets linear und ungestört verlaufen. Dass durch diese Reibungslosigkeit auch ein Un-sichtbarmachen von Machtverhältnissen angestrebt wird, verdeutliche ich an der Entstehungsgeschichte der Pariser Kanalisation. Drittens stellt sich die Frage, ob eine Bahn ein Ende haben kann – ist Widerstand möglich? Einen Weg zeigten die Bewohner*innen der bolivianischen Stadt Cochabamba, als sie sich der Privatisierung der städtischen Wasserversorgung widersetzten. Ein Fokus auf den Bahnenraum kann darum abstrakte Ströme, in ihrer konkreten Einbettung sichtbar machen und zu einer Analyse kapitalistischer Austauschbeziehungen und den Möglichkeiten ihrer Überwindung beitragen