Internationale Zuwanderung in Kleinstädten: Spezifische Herausforderungen für kleine Städte in Deutschland und Europa

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 0.106
Autor*innen
Katrin Großmann (FH Erfurt)
Sven Messerschmidt (FH Erfurt)
Johannes Glöckner (FH Erfurt)
Kurz­be­schreib­ung
Im Zuge internationaler Zuwanderung sind Kleinstädte mit Fragen sozialer und politischer Teilhabe von Migrant*innen konfrontiert. In diesem Vortrag werden Spezifika von Kleinstädten anhand der Fallstadt Bebra im Rahmen der Untersuchungen eines internationalen Forschungsprojektes aufgezeigt.
Schlag­wörter
Kleinstädte, Migration, Teilhabe

Abstract

Internationale Zuwanderung führt zunehmend auch in Klein- und Mittelstädten zu Diversifizierungsprozessen der Bevölkerungsstruktur und sozialräumlichen Segregationsphänomenen. Während sich die Stadtforschung seit Jahren mit den Chancen und Herausforderungen dieser Prozesse im Kontext von Großstädten auseinandersetzt, wurden Fragen nach sozialen und politischen Teilhabechancen zugewanderter Menschen sowie ihre Wirkungen auf demokratische Strukturen für Kleinstädte bisher kaum untersucht. Ausgehend von Ergebnissen eines AMIF geförderten, international vergleichenden Forschungsprojektes (Piste) werden Spezifika von Klein- und Mittelstädten anhand vorläufiger Erkenntnisse für die deutsche Fallstadt Bebra aufgezeigt.

Die Bevölkerungsstruktur der Stadt Bebra, als ein ehemals wichtiger Industriestandort und Verkehrsknotenpunkt aber auch als Ankunftsort für geflüchtete Menschen, ist stark durch Zuwanderung geprägt. Heute haben weit über die Hälfte der Einwohner*innen einen Migrationshintergrund und stammen aus über 60 Nationen. Gleichberechtigte Teilhabechancen aller zu ermöglichen, ist daher, wie auch in anderen (Groß‑)Städten, seit vielen Jahren Bestandteil von Aushandlungsprozessen der lokalen Stadtgesellschaft. Klein- und Mittelstädte wie Bebra stehen jedoch vor besonderen Herausforderungen. So prägen Schrumpfungserfahrungen und Identitätsverlust die Wahrnehmung von Zuwanderung als Chance oder Gefahr durch Alteingesessene. Für den Integrationsprozess wichtige Funktionen intermediärer Akteure werden von nur wenigen Personen eingenommen, wodurch es zu individueller Überforderung und Hemmnissen bei der zukünftigen Verstetigung etablierter Netzwerke kommen kann. Zudem mangelt es migrantischen Selbstorganisationen, die auch für die Identifikation und Partizipation neu zugewanderter Menschen bedeutsam sind, häufig an politischen Einflussmöglichkeiten. Vor dem Hintergrund eines engen Zusammenhangs zwischen der sozio-ökonomischer Lage einer Person und ihrer politischen Teilhabe im untersuchten Fallbeispiel ist dies von besonderer Relevanz. Ressortübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Politikfelder sowie die Fähigkeit öffentlicher Einrichtungen und Governancestrukturen zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen erweisen sich als weitere Herausforderungen, die in Klein- und Mittelstädten wie Bebra besonders wirksam werden und die soziale und politische Teilhabechance zugewanderter Menschen beeinflussen können.

Mit dem Vortrag soll ein Beitrag zur vergleichenden Kleinstadtforschung im Themen- und Handlungsfeld Migration und Teilhabe geleistet werden. Spezifika von Klein- und Mittelstädten sowie vorläufige Ergebnisse des Forschungsprojektes werden anhand des Fallbeispiels Bebra erläutert. Schließlich werden Chancen und Herausforderungen im Hinblick auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und Demokratie im Sinne der viel debattierten postmigrantischen Gesellschaft in Klein- und Mittelstädten und ihr Beitrag zum „Über Leben in kritischen Zeiten“ diskutiert.