Interregionale Migration als Indikator für Lebensqualität im Kontext von COVID-19

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 15
Autor*innen
Paula Prenzel (Universität Greifswald)
Kurz­be­schreib­ung
Die Covid-19-Pandemie könnte zu einer Neubewertung der Standortfaktoren von Wohnorten geführt haben. Der Beitrag untersucht anhand einer Regressionsanalyse deutscher Kreisregionen, inwiefern sich Veränderungen in Determinanten von Wanderungsbewegungen vor und während der Pandemie feststellen lassen.
Schlag­wörter
Wohnortwahl, interregionale Migration, Standortfaktoren, Amenties

Abstract

Obwohl Covid-19 eine globale Herausforderung ist, werden sowohl die Pandemie als auch die Maßnahmen ihrer Eindämmung in einem lokalen Kontext, d.h. am Wohnort, erlebt. Allerdings gibt es nicht nur räumliche Unterschiede in Inzidenz und Maßnahmen, Orte eignen sich eventuell auch in unterschiedlichem Maße für das alltägliche Leben während einer Pandemie. So könnte der exogene Schock der Pandemie und der Lockdowns zu einer Neubewertung der Vor- und Nachteile von Wohnorten geführt haben, z. B. weil bestimmte Standortfaktoren oder Amenities an Bedeutung gewinnen oder verlieren. Dieser Beitrag untersucht durch eine regressionsbasierte Analyse deutscher Kreisregionen, inwiefern sich Veränderungen in den Determinanten von Wanderungsbewegungen vor und während der Covid-19-Pandemie feststellen lassen.

Auch wenn die Evidenz zum besonderen Ausmaß und Schwere der Pandemie in Städten gemischt ist, hat Covid-19 gezeigt, dass Nähe, Dichte und globale Netzwerke, normalerweise Faktoren für wirtschaftlichen und innovativen Erfolg von Agglomerationen, auch Risiken darstellen können (Nathan, 2021). Doch Städte könnten nicht nur ein höheres tatsächliches oder angenommenes Gesundheitsrisiko bieten, städtischer Raum könnte sich auch weniger für Lockdownsituationen eignen (z. B. durch eingeschränkten Wohnraum oder Zugang zu Naturräumen), während zunehmende Möglichkeiten von Remote-Arbeit die Vorteile von Nähe zum Arbeitsplatz verringern. Theoretisch könnte Covid-19 also zu Veränderungen in der Kosten-Nutzen-Bewertung von Wohnorten und, damit einhergehend, zu Verschiebungen in Migrationsmustern führen.

Obwohl es erste Belege dafür gibt, dass besonders Großstädte während der Coronapandemie weniger stark gewachsen sind (Rink et al., 2021), fehlen bisher empirische Analysen von Migrationsdeterminanten, die diese Trends in weiterem Sinne erklären könnten. Wenn die Wohnortentscheidung als offenbarte Präferenz (revealed preference) verstanden wird, können Wanderungsbewegungen als Indikator für Veränderungen in der Einschätzung von lokaler Lebensqualität dienen (Faggian et al., 2012). Dieser Ansatz wird in diesem Beitrag angewendet, um erklärende Faktoren für Migrationsmuster vor und während der Pandemie zu vergleichen. So soll untersucht werden, inwiefern bestimmte Standortfaktoren währen der Pandemie an Bedeutung gewonnen oder verloren haben und welche Auswirkungen dies für die regionale Bevölkerungsentwicklung haben könnte.

Faggian, Alessandra, M. Rose Olfert, and Mark D. Partridge. 2012. “Inferring regional well-being from individual revealed preferences: The ‘voting with your feet’ approach.” Cambridge Journal of Regions, Economy and Society 5, (1): 163-180.

Nathan, M. (2021). The city and the virus. Urban Studies. https://doi.org/10.1177/004209802110583

Rink, D., Haase, A., Leibert, T., Woff, M. (2021). Corona hat das Städtewachstum ausgebremst. Die Einwohnerentwicklung deutscher Großstätde während der Corona-Pandemie. (UFZ Discussion Papers, 3/2021). UFZ.