Kleine Menschen in der großen Welt: Imaginationen von Zukünften im Verhältnis des Nachhaltigkeitsdiskurses

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 3.107
Autor*innen
Pauline Schottmann (Universität Jena)
Kurz­be­schreib­ung
In einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der Frage „Wie sieht die Welt unserer Zukunft aus?“, entstanden verschiedene Kunstwerke von Kindern und Jugendlichen, welche unter einer phänomenologischen Betrachtungsweise in Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs gebracht werden. Dabei wird Bedeutung der Leiblichkeit und der Offenheit gegenüber Phänomenen herausgestellt, um einen professionellen Umgang mit verschiedenen räumlichen Perspektiven in Lehr- und Lernprozessen zu ermöglichen.

Abstract

Fragen über unser Leben und Dasein in der Zukunft auf dieser Welt betreffen uns alle. Zukunftsvorstellungen können uns Angst machen, sie können verunsichern und folglich unser jetziges Handeln infrage stellen.

Im Rahmen meiner Forschungsarbeiten in der Geographiedidaktik entstand in Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungseinrichtungen und dem Künstler Bahram Nematipour, ein didaktisches Konzept zu der Fragestellung „Wie sieht die Welt unserer Zukunft aus?“. Diese Fragestellung wurde von mir dialogisch abgeleitet, von Kindern und Jugendlichen bearbeitet und weitergedacht. In der Nachbereitung des Projektes, bestand das Ziel darin, die entstandenen Kunstwerke zu verstehen. Symbole und Zeichen wurden entschlüsselt und in Verbindung mit den Themen des Nachhaltigkeitsdiskurses gebracht. Es sollte gemeinsam nachvollzogen werden, wie sich Vorstellungen imaginativ ausbilden und somit den Raum der Zukunft bestimmen.

In einer phänomenologischen Betrachtung Maurice Merleau-Pontys (1945, zit. in Wiesing 2008, 281-285), steht der Leib im unmittelbaren Zusammenhang mit dem weltlichen Raum. Damit kann „der Raum nicht mehr als einheitlich und gleichbleibend interpretiert“ werden, sondern muss „in direkter Abhängigkeit vom jeweiligen wahrgenommen Organismus stehend“ betrachtet werden (Müller 2017, 76). Die subjektiven Welt- und Wirklichkeitsbeschreibungen bieten einen heterogenen Zugang zur Welt. Die Leiblichkeit ermöglicht damit verschiedene Perspektiven, um den Raum wahrzunehmen, wodurch die eigene Erkenntnis entweder begrenzt oder überhaupt erst ermöglicht wird (Merleau-Ponty, 1945, zit. in Wiesing 2008, 281-282). Merleau-Ponty (ebd., 253) versteht es als wesentlich, dass das Wahrgenommene auch in den Wissenschaften in seinen „Zweideutigkeiten, Schwankungen und Einflüssen“ Beachtung findet. Unter diesem Aspekt wird eine Offenheit gegenüber den Phänomenen gefordert, um so den logischen Bedeutungen eines Gegenstandes entgegentreten zu können.

Damit könnten die eigenen „kleinen Projekte“ der „kleinen Menschen“ in dem Kontext der „großen Welt“ Beachtung finden und durch Aushandlungsprozesse zur Konstruktion der eigenen Identität beitragen.

Ausgehend vom Lebensweltbezug, welcher die subjektiven Perspektiven mit der Welt und deren Kontext vereint, entsteht eine Wechselwirkung mit der Sache selbst, dem Wir und der Welt. Dies verlangt von den Akteuren des Bildungswesens einen professionellen Umgang mit den Prozessen und den Auseinandersetzungen der Wahrnehmung, sowie der Akzeptanz verschiedener Perspektiven.

Literatur

Müller, Matthias C. 2017. Selbst und Raum: Eine raumtheoretische Grundlegung der Subjektivität. Bielefeld: transcript.

Merleau-Ponty, Maurice. 1945. «Die Unhintergehbarkeit der Wahrnehmung.» In Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, hrsg. v. Lambert Wiesing, 248-292 Frankfurt am Main: Suhrkamp.