Kleine Städte, großes Engagement: Entwicklung vernetzter Hilfestrukturen als Strategie zur Bewältigung aktueller demographischer Herausforderungen

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 0.106
Autor*innen
Jonas Hufeisen (HS Fulda)
Marlene Jänsch (HS Fulda)
Kurz­be­schreib­ung
Dieser Beitrag befasst sich mit Forschungsperspektiven, die sich mit Vernetzungsstrukturen und der Organisation von zivilgesellschaftlichem Engagement befassen, das in ländlichen Kleinstädten strategisch zur Bewältigung aktueller Herausforderungen durch Zuwanderung und Alterung eingesetzt wird.

Abstract

In ländlichen Kleinstädten sind aktuelle Aspekte des demographischen Wandels in Form von Alterung und Zuwanderung besonders bedeutsam. Dies geht auch mit Herausforderungen wie beispielsweise fehlender Infra- und Versorgungstruktur sowie einem Mangel an Angeboten zur sozialen Teilhabe für ältere und geflüchtete Menschen einher. In diesem Beitrag werden zwei Forschungsperspektiven präsentiert, die zeigen, wie diesen Herausforderungen durch die Vernetzung und Organisation von zivilgesellschaftlichem Engagement begegnet wird. Es hat sich jedoch gezeigt, dass aufgrund fehlender strategischer Konzepte von freiwilligem Engagement in den untersuchten kleinstädtischen Räumen komplexe Aushandlungsprozesse, informelle Strukturen und vielfältige Netzwerke zwischen verschiedenen lokalen Akteur*innen von großer Bedeutung sind.

Herausforderungen durch Fluchtmigration:

Jonas Hufeisen untersucht in einer multimethodischen empirischen Studie kleinstädtische Netzwerke im Zusammenhang mit der Fluchtmigration seit 2015. Die Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen sowie die Gestaltung eines gelingenden Zusammenlebens stellten Herausforderungen für ländliche Kleinstädte dar (vgl. Glorius/Schondelmayer/Dörfel 2018). Als Reaktion darauf wurden zivilgesellschaftliche Initiativen und Netzwerke initiiert, um im Zusammenspiel mit Politik, Verwaltung und Sozialer Arbeit die geflüchteten Menschen zu unterstützen und Begegnungsräume anzubieten. Als Ergebnis der Governance- und Netzwerkanalyse werden sowohl Potentiale als auch Ausschlussmechanismen im Zusammenhang mit kleinstädtischen Strukturen dargestellt.

Herausforderungen durch Alterung:

Marlene Jänsch analysiert die Gestaltung von Hilfebeziehungen zwischen hilfesuchenden älteren Menschen und ehrenamtlich Engagierten, die über institutionelle kleinstädtische Hilfeinitiativen vermittelt werden. Die Organisation dieser Hilfeinitiativen wird im Kontext des Konzepts der “sorgenden Gemeinschaften” (z.B. BMFSFJ 2016) als eine Form der “lokalen Vergesellschaftung” (Beetz 2018) interpretiert und damit als Strategie, auf fehlende Unterstützungsangebote zu reagieren, insbesondere auf den Rückbau von Infrastruktur und mangelnde Mobilität sowie auf den Bedarf an sozialer Vernetzung und verlässlichen Kontakten. Anhand von empirischem Interview- und Beobachtungsmaterial wird aufgezeigt, wie die „Hilfepaare“ ihre Beziehung gestalten und wie sie mit den dabei auftretenden Grenzen und Widersprüchlichkeiten umgehen.

Beide Forschungsfeldanalysen zeigen, dass Vernetzung und Organisation zivilgesellschaftlichen Engagements eine Strategie darstellen, um besonderen (sozial‑) räumlichen Bedingungen und aktuellen Herausforderungen kleinstädtischer Räume zu begegnen. Dabei wird jedoch auch deutlich, dass diese komplexe Aufgabe zu einer hohen Belastung der ehrenamtlich Engagierten führen kann und die Bedürfnisse der Adressat*innen oftmals außer Acht gelassen werden.