Kleingartenvereine als Orte der Begegnung und städtischen Differenzaushandlung

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
HZ 4
Autor*innen
Nina Schuster (TU Dortmund)
Kurz­be­schreib­ung
In diesem Vortrag rahme ich Kleingärten in Großstädten als städtische Mikroöffentlichkeiten. Ich frage nach der Rolle, die Orten der Begegnung in sozialen Situationen im Umgang mit Differenz zukommt, und rücke das Zusammenwirken von gesellschaftlichen Strukturen und Situationen auf der sozialen Mikroebene in den Fokus der Betrachtung.
Schlag­wörter
Differenzaushandlung, Begegnung, Kleingarten, Mikroöffentlichkeiten

Abstract

Kleingärten sind bisher eher selten als Orte der Begegnung und Differenzaushandlung betrachtet worden. Doch in deutschen Großstädten wandeln sich Gartenvereine seit etwa zwei Jahrzehnten erheblich: Mehr Jüngere und Familien, mehr Akademiker*innen, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und Menschen, die in nicht-heterosexuellen Beziehungen leben, pachten Gärten und gestalten die Vereine mit. Dies bedeutet, dass neue Differenzlinien und Machtkonstellationen, die intersektional betrachtet werden müssen, die Vereine prägen und dort auch bearbeitet werden. Daher lohnt ein Blick auf die soziale Funktion dieser urbanen Grünräume, in denen unterschiedliche Lebensentwürfe in Kontakt kommen können und womöglich kollidieren. In meinem dreijährigen ethnographischen DFG-Projekt in einer ost- und einer westdeutschen Großstadt habe ich die soziale Bedeutung von Kleingärten als Orte der Begegnung, der Differenzaushandlung und der „banalen Transgression“ (Ash Amin) erforscht.

In meinem Vortrag rahme ich Kleingärten in Großstädten entsprechend als städtische Mikroöffentlichkeiten. Ich frage nach der Rolle, die Orten der Begegnung in sozialen Situationen im Umgang mit Differenz zukommt. Nach einer Einordnung in die aktuellen theoretischen Debatten zu urbanen Begegnungen mit Differenz, die in der angloamerikanischen Stadtforschung schon länger intensiv geführt wird, erläutere ich, inwiefern Kleingartenvereine in Großstädten heute als urbane Mikroöffentlichkeiten betrachtet werden können. Anhand von empirischem Material aus meiner Studie zu Kleingärten analysiere und diskutiere anschließend verschiedene Formen des Umgangs mit Differenz, insbesondere ihrer Überbrückung. Ich zeige, wie in sozialen Situationen Differenz gerahmt und aktualisiert wird und welche Themen, Praktiken und materiellen Bezüge dabei eine Rolle spielen. Schließlich erörtere ich, welche Rückschlüsse sich daraus für die Bedeutung von Kleingärten in Großstädten als Mikroöffentlichkeiten und Orte der Begegnung ziehen lassen – sowohl im Hinblick auf die Bedeutung, die Gartenvereine für zwischenmenschliche Annäherung über Differenzen hinweg haben, als auch hinsichtlich der sozialen Relevanz solcher Grünräume für das städtische Miteinander im gesamtstädtischen Maßstab. Damit rückt der Vortrag das Zusammenwirken von gesellschaftlichen Strukturen und Situationen auf der sozialen Mikroebene in den Fokus der Betrachtung.