Konversions-Mittelstädte unter Transformationsdruck: Wie gelingt nachhaltiges Place Making?
Abstract
Mittelstädte bilden im polyzentrischen Stadtsystem Deutschlands eine sehr wichtige Siedlungskategorie, in der mit mehr als 43 Mio. Einwohner*innen ein Großteil der deutschen Bevölkerung lebt und die viel Wirtschaftskraft in sich vereint. Aktuell befinden sie sich mehr denn je in einem Spannungsfeld zwischen Wettbewerbsdruck und nachhaltiger Entwicklung. Das stellt die immer dynamischer verlaufende Entwicklung dieser Siedlungsform vor große Herausforderungen. Während Forderungen nach mehr Wachstum in Bezug auf Bevölkerung und Wohnraum, sowie Wirtschaftsleistung, aber auch Wettbewerb mit größeren Städten die Diskurse bestimmen, gibt es u. a. vor dem Hintergrund aktueller Problemfelder wie dem anthropogenen Umweltwandel oder der Coronapandemie Tendenzen bezüglich einer Konzentration auf vorhandene Ressourcen, mehr Nachhaltigkeit und eines Endes der Wachstumsprämisse. Dies bedeutet unter Umständen weniger Einwohner*innen, geringere Wirtschaftskraft und eine neue Rolle im Städtesystem, kann aber auch neue ortsbezogene Identitäten hervorbringen und die Stadtgemeinschaft stärken.
Vor speziellen Problemen stehen dabei von militärischer Konversion betroffene Mittelstädte. Hier eröffnen sich einerseits auf den ehemaligen Militärarealen neue Nutzungsmöglichkeiten und Experimentierflächen für die Urbanität der Zukunft. Andererseits sind die Innenstädte dieser Mittelstädte oft von einem Bedeutungsverlust oder dem Strukturwandel betroffen, weshalb es gilt, diese wiederzubeleben und Places zu schaffen, die für die gesamte Stadtgesellschaft einen wichtigen kulturellen und emotionalen Bezugsraum bilden. In diesem Zusammenhang findet kontinuierlich urbanes Place Making statt, ein Prozess des Austauschs und der Vermittlung zwischen formeller (top-down) und informeller (bottom-up) Produktion von Stadträumen. Dort, wo die formelle Planung nicht weiterkommt, kann durch informelles Taktieren, neu definierte Zeiträume, Orte und Prozesse oft schneller auf bestehende wie unvorhergesehene Krisen reagiert werden. Place Making meint damit „the action of urging the connection between people and the places where they live – in other words, the sense of place“ (Vázquez 2022, 162). Unter Anwendung des Assemblage-Konzepts kann Place Making als Prozess betrachtet werden, bei dem urbane Akteur*innen (Practitioners), wie aktive Bürger*innen, Repräsentant*innen, Unternehmer*innen oder Kulturschaffende mit ihrem Handeln das transformative Potenzial erzeugen, durch welches endogene Ressourcen zusammengeführt und so auch komplexe urbane Probleme gelöst werden, ohne dass dafür ein Generalplan erstellt werden muss.
Dieser Vortrag nimmt die Praktiken des urbanen Place Making aus der theoretisch-konzeptionellen Perspektive des Assemblage-Ansatzes in den Blick und versucht, am Beispiel der von Konversion betroffenen Mittelstädte die spezifischen Bedingungen dieses Prozesses nachzuvollziehen.