Left-behind in Deutschland: Eine Analyse am Fallbeispiel der Region Gera
Abstract
Der Unterschied zwischen rückständigen und wirtschaftlich erfolgreichen Regionen ist in Deutschland und den meisten anderen Ländern ein vorherrschendes Problem. Trotz der guten wirtschaftlichen Lage in den letzten Jahren nehmen die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen starken und schwachen Kommunen in Deutschland weiter zu (Boettcher et al. 2019). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Raumordnungsgesetzes ist die Politik in Deutschland u.a. verpflichtet, für ausgewogene soziale und wirtschaftliche Verhältnisse zu sorgen. In Anbetracht dessen ist es schon fast verwunderlich, dass wirtschaftlich rückständige und schrumpfende Orte und Regionen in den letzten Jahrzehnten in der Stadt- und Regionalforschung kaum Beachtung gefunden haben (Hendrickson et al. 2018; Rodriguez-Pose 2018).
Der Begriff left-behind reiht sich in die historische Tradition anderer Begriffe ein, die die ungleiche Entwicklung in Form von räumlichen Disparitäten, Struktur, Ungleichgewichten ausdrücken. Nicht nur die rückständigen Orte und Regionen sind in Vergessenheit und ins Abseits (left-behind) geraten, sondern auch die Wohnbevölkerung in diesen Räumen. Wirtschaftliche Unsicherheiten, ein sinkender Lebensstandard, steigende Lebenshaltungskosten, Ängste und Sorgen um den künftigen Wohlstand und kulturelle Ressentiments haben auch in Deutschland zu einer populistischen Reaktion gegen (politische) Eliten und Institutionen geführt, die auch und vor allem von Menschen und Orten ausgeht, die als left-behind gelten (Ford and Goodwin 2014; Dijkstra et al. 2020; MacKinnon et al. 2022).
Mithilfe einer Fallanalyse soll die Arbeitsmarktregion Gera als left-behind Place analysiert werden. Dabei sollen die spezifischen Gründe für die Rückständigkeit aus mehreren Perspektiven beleuchtet werden: 1. Die Region wird deskriptiv anhand verschiedener ökonomischer Daten eingeordnet und mit anderen Regionen vergleichen. 2. Expert:inneninterviews mit Akteuren aus der Politik, Wirtschaft und Wissenssystem zeigen wichtige Zusammenhänge in der Arbeitsmarktregion. 3. Mithilfe einer Fragebogen-Umfrage zu Gera wird das Außenimage der Region für Personen außerhalb und die Attraktivität der Arbeitsmarktregion für die Wohnbevölkerung ermittelt und die entsprechenden Eigenschaften analysiert. Zudem können wichtige Assoziationen zu der Arbeitsmarktregion vorgestellt werden.
Alle drei zuvor vorgestellten Herangehensweisen sollen in deren Kombination am Fallbeispiel Gera unterschiedliche Ebenen des Konzeptes left-behind aufzeigen. Weiterhin werden aus dem empirischen Material (Politik‑)Maßnahmen vorgestellt, die aufzeigen, wie die Region und dessen Bewohner*innen versuchen die Situation zu überwinden.
References
Boettcher F, Freier F, Geißler R and Stollhoff R (2019) Kommunaler Finanzreport 2019. BStift - Bertelsmann Stiftung
Dijkstra L, Poelman H, Rodríguez-Pose A (2020) The geography of EU discontent. Journal of Economic Geography 54: 737–753
Ford R, Goodwin M (2014) Understanding UKIP: Identity, Social Change and the