Local, translocal and transnational figurations of displacement
Abstract
Weitläufig wird eine Flucht weiterhin als eine erzwungene lineare Mobilität von einem Ort zu einem anderen verstanden; die vielfältigen orts- und grenzüberschreitenden Mobilitäten, Transaktionen und persönlichen Verbindungen von Schutzsuchenden werden dabei vielfach ignoriert. Aus einem verkürzten Verständnis von Flucht, das translokale und transnationale Dimensionen vernachlässigt und in einem rein territorialen Denken verhaftet bleibt, entstehen nicht nur falsche politische Schlüsse, auch Hilfsangebote humanitärer Akteure und grundlegende Prinzipien des Flüchtlingsschutzes laufen ins Leere. Die höchstvernetzte Lebensrealität von Geflüchteten und so auch das Potential translokaler und transnationaler Netzwerke für ‚dauerhafte Lösungen‘ für Vertriebene werden verkannt. In der Flucht- und Flüchtlingsforschung haben einzelne Beiträge seit Beginn der 2000er Jahre Perspektiven der Forschung zu Transnationalismus, Mobilität und Lokalität eingebracht und so auch den Weg bereitet für jüngere Forschungsarbeiten, die dem Paradigma der Translokalität zugeordnet werden können. Diese Perspektivverschiebung hat nicht nur neue empirische Erkenntnisse hervorgebracht, sondern fordert auch den geltenden territorialen Blick der Flüchtlingspolitik und z.T. die normative Ordnung des globalen Flüchtlingsschutzes heraus.
Der Beitrag fasst zentrale Erkenntnisse des umfassenden internationalen Forschungsprojektes TRAFIG (Transnational Figurations of Displacement) zu langanhaltenden Vertreibungskonstellation und alternativen Formen des Flüchtlingsschutz zusammen. Auf Grundlage einer Survey-Befragung mit 1900 Geflüchteten sowie detaillierten Studien in acht Ländern (Äthiopien, DR Kongo, Tansania, Jordanien, Pakistan, Italien, Griechenland und Deutschland) zeige ich auf, welche Rolle lokale, translokale und transnationale Verflechtungen und Bewegungen für Vertriebene spielen. Ich argumentiere, dass die spezifische räumliche Konstellation der Netzwerke und Mobilität den wesentlichen Unterschied für die Situation der Geflüchteten und die Potentiale der langfristigen Verbesserung ihrer Lebensumstände ausmacht. Zwar sind Unterstützungsangebote vor Ort, beispielsweise in Camps, ein zentraler Baustein des Flüchtlingsschutzes, aber nur durch die Freiheit translokaler Mobilität und funktionierende transnationale Netzwerkeinbettung gelingt es Geflüchteten, langanhaltende Vertreibungskonstellationen zu überwinden – Geography matters! Mit Hilfe eines kritischen Verständnisses von Orten und Raumaneignung sowie der mit einander verwandten, aber im Kontext von Flucht und Vertreibung zu unterscheidenden – Konzepte Translokalität und Transnationalismus trägt der Beitrag so zur Entschlüsselung der Räumlichkeit von Flucht (DISplacement) und (Wieder)Einbettung (EMplacement) bei.