Making „No-Go-Area“: Polizeiliches Handeln und Raumproduktion

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
SH 1.101
Autor*innen
Tim Maaß (Ruhr-Universität Bochum)
Kurz­be­schreib­ung
Mithilfe des Counter-Mappings analysiert der Beitrag die Raumproduktion der „No-Go-Area“ durch die extensive Ausweisung kriminogener Orte am Beispiel Dortmund-Nordstadt. Dabei werden Kriminalisierungsstrategien in den Fokus gerückt, die die häufig prekäre Lage der Bewohner*innen weiter zuspitzen.

Abstract

Die Tötung eines 16-jährigen Geflüchteten in der Dortmunder Nordstadt durch schwerbewaffnete Polizeibeamt:innen im August 2022 markiert den traurigen Höhepunkt einer jahrelangen sogenannten „Null-Toleranz“-Strategie zur Bekämpfung von „No-Go-Areas“, welche sicherheitspolitisch vorangetrieben und medial befeuert wurde. Die Nordstadt ist ein von Armut und Migration geprägtes ehemaliges Arbeiter*innenviertel mit knapp 60.000 Einwohner*innen und einer der zentralen Schauplätze der „Law & Order“-Politik in NRW. Vor dem Hintergrund des Konzepts der “Geographie der Kriminalisierungsstrategien” (Belina 2011) macht sich der Beitrag die Methodik des Counter-Mappings zu Nutze, um die Raumproduktion von „No-Go-Areas“ anhand der Ausweisung kriminogener Orte zu untersuchen. Diese Raumproduktion ist dabei als Folge der Wechselwirkungen von polizeilichem Handeln, medialen Diskurs und Räumlichkeit zu verstehen, welche in den Kontext hegemonialer sozialer Kontrolle eingebettet ist. Die so medial und sicherheitspolitisch produzierte „No-Go-Area“ Dortmund-Nordstadt ist einer extensiven Kriminalisierung unterworfen, welche durch die Ausweisung kriminogener Orte Grundrechte außer Kraft setzt. Die empirische Untersuchung zeigt, dass beinahe der gesamte Stadtteil als ein solcher kriminogener Ort eingestuft wird. Allein 56% der Straßen werden explizit aufgeführt, ein weiterer – unscharf definierter – Bereich deckt beinahe das gesamte Stadtteilgebiet ab. Damit wird die ohnehin häufig prekäre Lage der Bewohner*innen durch eine martialisch auftretende Polizei und massive Einschränkungen der Grundrechte weiter zugespitzt. Flankiert wird die Ausweisung kriminogener Orte durch extensive Schwerpunkteinsätze gegen (vermeintlich) „Clankriminelle“ in Shisha-Bars und an öffentlichen Plätzen, sowie die Anwendung der strategischen Fahndung. Die Dortmunder Nordstadt stellt einen Schaukasten polizeilichen Handelns dar, und wird gleichzeitig durch eben dieses aktiv als „No-Go-Area“ hergestellt.