Mehr als nur Wege und Standorte: Aktionsräume als Lebensräume, Wohlfühlorte und Zuhause
Abstract
In diesem Beitrag möchten wir sowohl konzeptionell eine Erweiterung der klassischen Aktionsraumstudien vornehmen als auch anhand einer eigenen empirischen Studie beispielhaft zeigen, welchen Erkenntnisgewinn dieses Vorgehen bietet.
Dazu haben wir in einer Studie mit und über Studierende(n) an den Hochschulstandorten Frankfurt a.M. und Leipzig klassische Indikatoren für Aktionsräume erhoben und die Ergebnisse um subjektive Aspekte dieser Aktionsräume erweitert. Zu den klassischen Indikatoren zählen alltägliche, aber auch biographische raum-zeitliche Muster, die sich gerade in der Lebensphase des Studiums als besonders dynamisch erweisen. So analysieren wir z.B. den täglichen Zeitaufwand für Wege zur Hochschule und den studentischen „Jobs“. Gleiches gilt für den Zeitaufwand für Wege zwischen verschiedenen (Wohn‑)Standorten, z.B. zwischen dem Studienort und dem Herkunftsort oder dem Wohnort der Partner*in. Die biographische Komponente ist insofern auch in der Analyse enthalten, als sowohl der aktuelle Wohnstandort als auch frühere sowie die geplante zukünftige Lebensorte thematisiert werden. Die beiden Untersuchungsorte Frankfurt a. M. und Leipzig zeichnen sich dadurch aus, dass dort unterschiedliche räumliche Anordnungen der Hochschuleinrichtungen anzutreffen sind, da an der Goethe-Universität Frankfurt relativ kurze Wege zwischen den Einrichtungen bestehen, wohingegen an der Universität Leipzig nur wenige Gebäude im zentralen Bereich am Augustusplatz liegen und ihre Einrichtungen über den Stadtraum verteilt sind.
Die Erweiterung dieser klassischen Ansätze um neue Aspekte erfolgt, indem die befragten Studierenden um Bewertungen eben dieser Lebensorte und -räume gebeten werden. So können sie sich bzgl. ihrer Beheimatung, ihrer Identifikation mit den Aktionsorten und -räumen äußeren und konkrete „Wohlfühlorten“ innerhalb der täglichen Aktionsräume nennen und beschreiben. Der Fokus liegt auf Studierenden, da die Lebensphase des Studiums als eine biographisch hochmobile Phase gilt, in der junge Menschen häufig das Elternhaus verlassen und neue (Aktions‑)Räume erschließen. Inwiefern sich aufgrund der Pandemie diese bisher bekannten Muster verändert, haben, zählt auch zu den Forschungsfragen dieser Studie. Zudem ist in der Regel der Aufenthalt am Studienort auf eine befristete Zeit angelegt. Diese Temporalität, die dieser Lebensphase inhärent ist, stellt in weiteres qualitatives Moment dar für die Beheimatung und das gesellschaftliche Engagement am Lebensort, das bisher in der Aktionsraumforschung kaum thematisiert wird.
Mit diesen konzeptionellen Erweiterungen einer Aktionsraumanalyse ist es möglich, nicht nur das zeit-räumlicher Muster, das als „Gerüst“ verstanden werden kann, zu beschreiben, sondern es mit der Vielfalt der subjektiven und emotionalen Facetten dieser Räume zu füllen. Dies führt nicht nur zu einem besseren Verständnis der alltäglichen Aktionsräume, sondern eröffnet auch neue Gestaltungsmöglichkeiten für die Planung.