Mobilitätsbildung: Neue Perspektiven auf die Radfahrausbildung

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 0.106
Autor*innen
Verena Röll (TU Berlin)
Jurik Stiller (Humboldt-Universität zu Berlin)
Diana Stage (TU Berlin)
Kurz­be­schreib­ung
Das Berliner Modell für Mobilitätsbildung weist die Dimensionen Bewegung, Wahrnehmung und Mitgestaltung auf. Anhand der Radfahrausbildung wird beispielhaft aufgeführt, welche zahlreichen neuen (geographie-)didaktischen Perspektiven sich daraus für die Mobilitätsbildung von Kindern ergeben
Schlag­wörter
Mobilitätsbildung, Sachunterricht, Radfahrausbildung, Radinfrastruktur

Abstract

Die Thematisierung von Mobilitätsaspekten spätestens ab der Primarstufe ist weitestgehend unstrittig, in der schulischen Praxis wird sich meist jedoch auf Verkehrssicherheit im Sinne von Regelkunde beschränkt. Von der Integrierten Verkehrsplanung (TU Berlin) und dem Sachunterricht und seiner Didaktik (HU Berlin) werden daher in einem BMDV-geförderten Forschungsprojekt derzeit in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Lehrkräften , Erzieherinnen und Erzieher neue Ansätze für Mobilitätsbildung entwickelt.

In dem Beitrag sollen zunächst das aus drei Dimensionen bestehende Berliner Modell für Mobilitätsbildung (Stiller et al. i.V.) sowie die sich daraus ergebenden (geographie‑)didaktischen Perspektiven vorgestellt werden. Die Dimension Bewegung umfasst alle Aspekte der tatsächlichen Bewegung durch den Raum, also räumliche Mobilität. Durch Mobilitätsbildung im Sinne des Modells werden Kinder befähigt, sich mündig Räume erschließen zu können. Die Dimension Wahrnehmung beinhaltet alle Aspekte der reflektierten Wahrnehmung (sozial)räumlicher Begebenheiten und von Freiheitsgraden beim Treffen mobilitätsbezogener Entscheidungen. Zudem umfasst die Dimension Mitgestaltung alle Aspekte der partizipativen und gleichberechtigten Mitgestaltung und Mitbestimmung.

Im Fokus des Beitrags steht die Radfahrausbildung und die Frage, wie diese im Sinne einer umfassenden Mobilitätsbildung aufgewertet werden kann. Beispielhaft wird der „Radverkehrs-Check“ vorgestellt, der im Zuge des Forschungsprojekts gemeinsam mit Lehrkräften ausgearbeitet wurde. Der „Radverkehrs-Check“ ist eine Kombination aus Kiezspaziergang und Kartenerstellung, um sich mit der Fahrradinfrastruktur vor Ort auseinanderzusetzen, die Wahrnehmung der Kinder auf das Thema und ihre Bedürfnisse zu schärfen sowie eine Grundlage für die Mitgestaltung ihrer Umgebung zu schaffen. Beim „Radverkehrs-Check“ stehen die verschiedenen Elemente der Fahrradinfrastruktur (Wegetypen, Abstellanlagen, Reparaturmöglichkeiten, Leihsysteme, fahrradfreundliche Bahnhöfe etc.) sowie die individuellen Bedürfnisse und Ideen der Kinder für eine fahrradfreundliche Kommune im Vordergrund. Auf diese Weise wird die geographische Perspektive auf das Thema Fahrrad gestärkt, da neue Aspekte in die Radfahrausbildung aufgenommen werden, die über Verkehrsregeln und Verhaltensweisen hinausgehen. Der Vortrag widmet sich auch den Erkenntnissen, die Planende und Forschende aus „Radverkehrs-Checks“ gewinnen können, denn Kinderperspektiven in die Planung einzubeziehen, ist ein wesentlicher Bestandteil von kindgerechter Infrastruktur und eröffnet Möglichkeiten auch für all diejenigen zu planen, die sich heute aus Sicherheitsgründen (noch) nicht auf das Fahrrad trauen.

Stiller, J., Röll, V., Miehle, L. et al. (2023): Berliner Modell zur Mobilitätsbildung. Ein interdisziplinäres Modell. DOI 10.18452/2570