New Kids on the Block: Gemeinschaftliche Wohnprojekte im Spannungsfeld von Innen und Außen

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
HZ 12
Autor*innen
Carsten Praum (Bauhaus-Universität Weimar)
Kurz­be­schreib­ung
Das System des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus spielt eine bedeutende Rolle in der Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung im transformierten Wohlfahrtsstaat. Dabei bewegen sich gemeinschaftliche Wohnprojekte in einem Spannungsfeld von Innen und Außen, dessen paradoxen Merkmale diskutiert werden.

Abstract

In meiner Dissertation (Praum 2022) ging ich der Frage nach, welche Bedeutung dem gemeinschaftlichen Wohnungsbau in der Stadtentwicklung und Wohnungsversorgung im transformierten Wohlfahrtsstaat zukommt.

Dabei konnte ich aufzeigen, dass sich in der Phase der Nach-Wohnungsgemeinnützigkeit in den wachsenden Städten in Deutschland ein System herausbildete, das sich im Zusammenspiel von gemeinschaftlichen Wohnprojekten, intermediären Organisationen sowie Stadtpolitik und -verwaltung konstituiert. Dieses System wiederum nimmt spezifische gesellschaftliche Funktionen sowie institutionelle und baulich-räumliche Formen an, die nicht zuletzt auf die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen im transformierten Wohlfahrtsstaat des „Community-Kapitalismus“ (van Dyk/Haubner 2021) zurückzuführen sind. Es changiert also zwischen neoliberalen und postneoliberalen Ansätzen, weswegen gemeinschaftlichen Wohnprojekten weithin – und mit Recht – zugeschrieben wird, sowohl nachbarschaftliche Strukturen stärken als auch bezahlbaren Wohnraum bereitstellen zu können. Gleichwohl schwingt nicht selten die – ebenso berechtigte – Behauptung mit, dass das System des gemeinschaftlichen Wohnungsbaus vor allem die ohnehin privilegierte neue Mittelklasse fördere.

Während der Rekurs auf die Gemeinschaft in den 1960er und 1970er Jahren überwiegend progressiven Ansätzen diente, wandelte sich der Gemeinschaftsdiskurs in den 1980er Jahren. Einhergehend mit der Transformation des Wohlfahrtsstaates erkennen van Dyk und Haubner die Etablierung einer neuen historisch spezifischen Gesellschaftsformation der kapitalistischen Produktionsweise, die sie Community-Kapitalismus nennen und der ein instrumentelles Moment der Gemeinschaftsaktivierung innewohnt. In dieser Formation drücken sich also neoliberale Praktiken eines „government through community“ (Rose 1996: 332) aus, die explizit auf Loyalitätsbeziehungen innerhalb lokal begrenzter und aktiv mitwirkender Gemeinschaften setzen. Dabei werden Mechanismen der Vergemeinschaftung angerufen, die auf das Innen und Außen einer Gemeinschaft und somit auf den Essenzialismus der Innen-Außen-Problematik verweisen. Diese Mechanismen wiederum sind in der Regel sowohl durch Inklusion als auch durch Exklusion gekennzeichnet und führen notwendigerweise zu einem gewissen Maß an Homogenität einer jeden Gemeinschaft.

In meinem Beitrag will ich daher den Fragen nachgehen, wie sich das Spannungsfeld von Innen und Außen in gemeinschaftlichen Wohnprojekten darstellt und welche Auswirkungen es auf ihre gesellschaftliche Funktion hat beziehungsweise haben sollte.

Literatur

van Dyk, Silke / Haubner, Tine (2021): Community-Kapitalismus. Hamburg: Hamburger Edition.

Praum, Carsten (2022): New Kids on the Block: Der gemeinschaftliche Wohnungsbau am Beispiel von München und Frankfurt. Bauhaus-Universität Weimar: Dissertation.

Rose, Nikolas (1996): The Death of the Social? Re-figuring the Territory of Government. In: Economy and Society 25/3, 327–356.