Prinzipien nachhaltiger Agrarnahrungsmittelsysteme und Multi-Species Sustainability am Beispiel der Imkerei in Japan

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 10
Autor*innen
Maximilian Spiegelberg (PH Heidelberg)
Christoph D.D. Rupprecht (Ehime University)
Rika Shinkai (Research Institute for Humanity and Nature)
Steven R. McGreevy (University of Twente)
Jingchao Gan (Nagoya University)
Norie Tamura (Graduate School of Project Design)
Kurz­be­schreib­ung
Aufbauend auf Erkenntnissen indigener, feministischer, und postwachstums Forschenden zeigen das Konzept der Multi-Species Sustainability und die Prinzipien für Nachhaltige Agrarnahrungsmittelsysteme Transformationspfade auf, die bereits in der Haltung von Japanischen Honigbienen Anwendung finden.
Schlag­wörter
Tranformationsforschung, Food Geographies, Mehr-als-menschliche Geographien, Postwachstum, Agrarökologie

Abstract

Honigbienen sind ein beliebtes Symbol für Artenschutz und Umweltfreundlichkeit. Ihre enorme wirtschaftliche Bedeutung, insbesondere für die Agrarindustrie, ist in wissenschaftlichen Publikationen ein wiederkehrendes Motiv. Dabei wird verkannt, dass die Dominanz der westlichen Honigbienen Apis mellifera bei der Bestäubung ein Ergebnis ihrer Domestizierung und enger Verflechtungen mit den kolonialen und industriellen Agrarnahrungsmittelsystemen ist. Zusammen mit der von Monokulturen, Cash-Crop-Exporten und der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beherrschten Landwirtschaft wurden Imkereipraktiken entwickelt, die Aspekte von Effizienz, Extraktion, Akkumulation, Privateigentum und Kontrolle weltweit als professionell und „fortschrittlich“ preisen. Traditionelle, einheimische, lokale und alternative Praktiken, sowie nicht-domestizierte Arten werden dagegen als ineffizient, unwirtschaftlich, und unmodern abgewertet. Angesichts des hohen Transformationsdrucks müssen jedoch Wechselwirkungen zwischen Menschen und nicht-Menschen in Agrarnahrungssystemen, inklusive der Imkerei und Bestäubung über das Wachstumsparadigma hinaus neu gedacht werden.

Diese Umgestaltung erfordert eine Neukonzeption auf der Grundlage von Werten, Ernährungspraktiken und Lebensstilen, die Suffizienz, Regeneration, Verteilung, Gemeingüter und Fürsorge voranstellen, da diese wesentlich für Ernährungssouveränität, Ernährungsgerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, kulturelles Überleben und ökologische Integrität sind. Die Abwesenheit dieser Prinzipien in den meisten Nachhaltigkeitsdiskursen, einschließlich der Nachhaltigkeitsziele, lässt sich auch auf das etablierte Verständnis von Nachhaltigkeit zurückführen.

Die gängige Auslegung “die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen” lässt die gegenseitige Abhängigkeit mit den Bedürfnissen heutiger und künftiger nicht-menschlicher Generationen unberücksichtigt und verkennt, dass das Wohlergehen des Menschen und das anderer Lebewesen voneinander abhängig ist. In seiner gegenwärtigen Form leidet der Nachhaltigkeitsbegriff unter Reduktionismus und ist mit seiner Konzentration auf das menschliche Wohlergehen und einer rein utilitaristischen Sichtweise der ‘Natur‘ als Ressource für die Menschheit konzeptuell begrenzt. In Anbetracht des Bedarfs an analytischer Genauigkeit zum Lösen existierender Herausforderungen und der daraus abgeleiteten realen Transformationsbemühungen, muss das derzeitige Nachhaltigkeitsverständnis durch ein inklusiveres Konzept der Multi-Species Nachhaltigkeit ersetzt werden.

Wir argumentieren daher, dass echte Nachhaltigkeit nur erreicht werden kann, wenn die voneinander abhängigen Bedürfnisse aller Arten heutiger und künftiger Generationen erfüllt werden und erkunden anhand der Postwachstumsprinzipien für Agrarnahrungssysteme und dem Konzept der Multi-Species Sustainability bereits existierenden Imkereipraktiken in Japan.