Raum-zeitliche Dimensionen ortsflexibler Arbeit: Potenziale und Herausforderungen für die (ungleiche) Care-Arbeitsteilung

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
HZ 11
Autor*innen
Charlotte Niewerth (HCU Hamburg)
Monika Grubbauer (HCU Hamburg)
Katharina Manderscheid (Universität Hamburg)
Mattis Helmrich (Universität Hamburg)
Kurz­be­schreib­ung
Wohnpraktiken und Care-Arbeitsteilungen erfahren durch Homeoffice eine raum-zeitliche Reorganisation. In diesem Beitrag werden wir diese Verschiebungen in Bezug auf geschlechterspezifische Zusammenhänge und Ungleichheiten betrachten.

Abstract

Der Wohnort stand schon immer in einem räumlichen Verhältnis zum Arbeitsort. Tatsächlich gibt es aber erst seit der Industrialisierung eine klare funktionale und räumliche Trennung zwischen den beiden Orten. Bezahlte Arbeit findet seither überwiegend außerhalb der Wohnung statt, die zum Ort der Reproduktion der Arbeitskraft geworden ist. Feminist*innen haben schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass diese nicht entlohnte, reproduktive, unsichtbare Arbeit in den meisten Fällen von Frauen geleistet wird. Die Zahl der Frauen, die heute Lohnarbeit nachgehen, ist gestiegen, allerdings leisten Frauen und insbesondere Mütter nach wie vor mehr unbezahlte Care-Arbeit. Gleichzeitig erhalten Frauen im Durchschnitt immer noch nicht den gleichen Lohn für gleiche Arbeit wie Männer. Zu den aktuellen Problemen gehören die daraus resultierende Doppelbelastung für Frauen oder die Auslagerung der Care-Arbeit an andere marginalisierte Frauen.

Die funktionale und räumliche Trennung zwischen Wohnen und Erwerbsarbeit scheint sich aktuell für einen Teil der Beschäftigten umzukehren. Durch die Digitalisierung, beschleunigt durch die Corona-Pandemie, verlagert sich ein Teil der bezahlten Tätigkeiten in private Wohnräume. In unserem Forschungsprojekt nehmen wir dies zum Ausgangspunkt, um uns unter anderem mit den Effekten auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zu beschäftigen. Auf Basis einer standardisierten Befragung und ergänzenden qualitativen Interviews von Beschäftigten in der Metropolregion Hamburg fragen wir, inwieweit sich durch das Arbeiten im Homeoffice die zeitliche und räumliche Struktur des Alltags und damit potentiell auch das Verhältnis von Erwerbs- und Care-Arbeit verändert. Welche Konsequenzen hat dies für die Wohnpraktiken der Haushalte und inwiefern schreibt sich hier eine geschlechterspezifisch ungleiche Care-Arbeitsteilung ein beziehungsweise fort? Und welche Rolle spielen hierbei die raum-zeitlichen Beziehungen zwischen Betrieb und Wohnort und daraus resultierende Wegeketten und Zeitstrukturen? Der Beitrag diskutiert aus einer feministischen Perspektive, wie sich Wohnpraktiken reorganisieren, wenn die Lohnarbeit in die eigenen vier Wände rückt.