RaumStadtKunst

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 14:30–16:00
Sitzungsraum
HZ 13
Autor*innen
Johanna Lehmann (Universität Jena)
Kurz­be­schreib­ung
Mithilfe von künstlerischen Praktiken und der Theorie der Produktion des Raumes (Lefebvre) können Raumproduktion und Raumwahrnehmung im Geographieunterricht thematisiert und reflektiert werden.

Abstract

Wir bewegen uns alltäglich in Räumen, wir nehmen sie wahr und erfahren sie, dabei produzieren wir auch Raum. Die Prozesse der Raumproduktion geschehen jedoch oft unbewusst und unreflektiert. Im Vortrag stelle ich heraus, wie mithilfe von künstlerischen Praktiken, dem Konzept der ‚Spurensuche‘ (vgl. Dickel & Lehmann 2020) sowie dem Konzept der ‚Produktion des Raumes‘ (vgl. Lefebvre 1974/2006; 1991) ein Bewusstsein für Raumerfahren und Raumproduktion im Geographieunterricht geschaffen werden kann. Ausgehend von Erfahrungen von Lehramtsstudierenden aus dem Seminarkontext zeige ich auf, wie die Verschränkung von künstlerischen und geographischen Praktiken im Geographieunterricht gelingen kann. Mithilfe von künstlerischen Praktiken können sich Lernende von ihren bisherigen Wahrnehmungs- und Bedeutungsmustern lösen. Auf Spurensuchen durch Jena stoßen die Studierenden auf geographische Fragestellungen, die sie unter anderem mithilfe der Theorie der Produktion des Raumes von Lefebvre bearbeiten und reflektieren. Der Beitrag schließt mit Überlegungen, wie man andere auf die gemachten Beobachtungen aufmerksam machen kann. Hierfür können auch künstlerische Praktiken genutzt werden, wie Aktionen, Performances, Objektkunst usw. Der Zugang über künstlerische Praktiken ermöglicht, beispielsweise durch das Stilmittel der Überhöhung Aufmerksamkeit für raumproduzierende Prozesse zu erzeugen.

Lefebvres (vgl. Lefebvre 1974/2006; 1991; Schmid 2010) Theorie der Produktion des Raumes ermöglicht einen umfassenden Blick auf Raum, der Raum auch als Prozess erfasst. Dabei werden Bedeutungs- und Sinngebungsprozesse ebenso wie Widersprüche, Überschneidungen und Dynamiken thematisiert. Die Theorie macht die soziokulturelle Einbettung wie auch den Einfluss eigener Erfahrungen sowie individuelle und gesellschaftliche kulturelle Praktiken deutlich. Weiterhin fordert sie zur Reflexion auf und bietet eine Art Leitfaden dafür. Indem wir unsere raum-zeitliche Positionalität und Perspektivität reflektieren, können wir unser Handeln begreifen und verstehen. Darüber hinaus können wir auch lernen, uns reflexiv mit uns und unserer (Um‑)Welt, mit unserem In-der-Welt-Sein, auseinanderzusetzen. Es lässt sich das Selbstverständliche infrage stellen und das Selbst als in Raum handelnd und wahrnehmend verstehen. Oft nehmen wir Welt und Raum wahr, ohne diese als solche zu fassen bzw. fassen zu können. Raum erfahren heißt, Etwas-Verstehen und damit auch ein Sich-Verstehen. Es ermöglicht ein tiefgreifendes Verstehen der eigenen Lebenswelt, die immer im Wandel ist.

Ebenso wie die Raumerfahrung ist auch Bildung prozesshaft und unabgeschlossen. Sich mit Raumerfahrungen mithilfe von künstlerischen Praktiken auseinanderzusetzen, kann Bildungsprozesse anstoßen. In einem Prozess, in dem Theorie und Praxis in einander greifen, ist es möglich, sich selbst in einem räumlichen und sozialen Kontext eingebettet zu begreifen.