Risikominderung und resiliente globale Produktionsnetzwerke: Lieferkettenrisiken in der deutschen Medizintechnikbranche

Vortrag
Sitzungstermin
Freitag (22. September 2023), 09:00–10:30
Sitzungsraum
SH 2.106
Autor*innen
Thomas Neise (Universität Osnabrück)
Kurz­be­schreib­ung
Der Beitrag thematisiert die Rekonfiguration von Lieferketten als Risikominderungsstrategie in globalen Produktionsnetzwerken. Am Beispiel der Medizintechnikbranche wird gezeigt, dass die Machtverhältnis-se innerhalb von Produktionsnetzwerken das Portfolio von Risikominderungsstrategien einschränken.

Abstract

Forschung über die Fragilität von (globalen) Lieferketten und die Regionalisierung von Lieferketten er-fährt seit der Covid-19 Pandemie eine zunehmende Aufmerksamkeit. In der Supply Chain Management Literatur wird eine breite Debatte darüber geführt, wie Unternehmen ihre Lieferketten beispielsweise durch Redundanz und Flexibilität resilienter gestalten können. Innerhalb der Forschung zu globalen Pro-duktionsnetzwerken (GPN) ist die Debatte über Risiken in Lieferketten noch relativ jung und konzentriert sich auf die Rekonfigurationen von (globalen) Produktionsnetzwerken, die durch Risikominderungsstra-tegien ausgelöst werden. Auf der Grundlage dieser beiden Literaturstränge werden in diesem Vortrag daher potenzielle Resilienzstrategien für den Aufbau neu gestalteter (resilienterer) Lieferketten diskutiert.

Am Beispiel der global ausgerichteten deutschen Medizintechnikbranche, soll gezeigt werden, welche Herausforderung mit der Minderung von Lieferkettenrisiken, zum Beispiel durch Nearshoring- und Dou-ble-Sourcing-Aktivitäten einhergehen. Um das Risiko von unterbrochenen Lieferketten zu mindern, se-hen sich deutsche Medizintechnikunternehmen bei der Umstrukturierung ihres Produktionsnetzwerks mit einer großer Abhängigkeit von Zulieferern, Hauptkunden und Zertifizierungsstelle konfrontiert. Im Vortrag wird dargelegt, weshalb Nischenplayer, wie die Medizintechnikbranche, nur bedingt in der Lage sind Risikominderungsstrategien umzusetzen und welche Rolle insbesondere globale Zulieferer und na-tionale Zertifizierungsstellen dabei spielen. Einerseits wird das Angebot zur Herstellung medizinischer Instrumente und Geräte durch Zulieferer und ihren Hauptkunden, die sich auf Just-in-Time-Produktion konzentrieren, eingeschränkt. Anderseits wird die Möglichkeit, alternative Beschaffungsquellen zu fin-den, durch obligatorische Zertifizierungsverfahren durch Zertifizierungsstellen erschwert.

Die in diesem Vortrag vorgestellte Fallstudie zeigt, dass die Rekonfiguration von Lieferketten als Strate-gie zur Risikominderung nicht losgelöst von den Machtverhältnissen innerhalb der Produktionsnetzwer-ke verstanden werden kann.