Sozialgeographie und Post-Humanism: Inspirationen für die Forschung im und zum Gefängnis
Abstract
Bereits frühe sozialgeographische Forschungen zum Gefängnis und zu Carceral Geographies im weiteren Sinne, arbeiteten heraus, wie Fragen der Materialität diese Systeme, Settings oder Orte prägen. So zeigte Theresa Dirsuweit in ihren Studien zu südafrikanischen Gefängnissen, wie die Materialität für Gegenentwürfe zur heteronormativen Geschlechter- und Sexualitätsordnung genutzt wurde. Andere wie Dominique Moran haben auf die Bedeutung nicht nur der stabilen und einschränkenden Dispositive (Mauern, Zäune, Tore), sondern auch der Funktion von Mobilität (Gefangenentransporte) hingewiesen.
Dabei haben verschiedene Autor:innen auf Post-Theorien von Deleuze und Guattari, ANT, New Materialism oder Post-Humanism zurückgegriffen. Dadurch werden Gefängnisse nicht als «Überstruktur» für die Personen die darin leben und arbeiten begriffen, sondern bspw. als agencement s(Deleuze & Guattari), welche die (menschlichen) Körper und Objekte darin in unterschiedlicher Art und Weise zueinander in Beziehung setzen und affektieren. Aus dieser Perspektive heraus entstanden Arbeiten zu Emotionen, zu Klang und Gerüchen aber auch zu Raum-Zeit und zur Architektur von Gefängnissen.
Von diesen theoretischen Zugängen der Post-Theorien inspiriert, möchte ich im Beitrag entwickeln, wie solch eine Perspektive nicht nur das Materielle und die Körper an sich betrachten kann, sondern sich – im Sinne eines Post-Humanism – vom Menschen als Fokus der Forschung entfernt, um das Setting oder das agencement als solches zu fokussieren. Ich beziehe mich dabei auf Überlegungen, die einem aktuellen Forschungsprojekt zugrunde liegen. Im Projekt «Social Work in Swiss Prisons: Elements, Limits and Articulations” betrachten wir Soziale Arbeit im Gefängnis als ein agencement und versuchen dadurch, über den Fokus auf die Akteur:innen (Sozialarbeitende) hinaus zu gehen und diese zu dezentrieren. Aus dieser Perspektive ergeben sich auch methdologische Überlegungen, wie sie insbesondere von Elizabeth St. Pierre als post-qualitative Methodologie gefasst wurden.
Der Beitrag wird einerseits die theoretischen Inspirationen aufrollen und darlegen, wie diese uns helfen über den üblichen Fokus «Soziale Arbeit ist was Professionelle der Sozialen Arbeit tun», hinauszudenken. Basierend auf ersten empirischen Versuchen werde ich auch darlegen, wie eine solche theoretische Perspektive sich empirisch übersetzen lässt.