Soziokulturelle Zentren: Sozial-ökologische Reallabore

Vortrag
Sitzungstermin
Donnerstag (21. September 2023), 16:30–18:00
Sitzungsraum
SH 1.104
Autor*innen
Kristina Rahe (Bundesverband Soziokultur e.V.)
Kurz­be­schreib­ung
Soziokulturelle Zentren werden als wichtige nachbarschaftliche Kommunikationsorte vorgestellt, die als Reallabore auf lokaler Ebene zur nachhaltigen gesamtgesellschaftlichen Transformation beitragen. Sie bieten Partizipation, Bottom-Up-Prozesse, Vernetzung, Auflösung von Komplexität, Niedrigschwelligkeit und Resilienz.
Schlag­wörter
Soziokultur, Partizipation, Stadtteilarbeit, Reallabor, sozial-ökologische Transformation

Abstract

Nachhaltigkeit gehört zum genetischen Code der Soziokultur. Diese hat mit ihrer langjährigen Erfahrung, Zivilgesellschaft auf kreative Weise zu aktivieren, ein großes Potential, den Wandel hin zu einer Nachhaltigkeitskultur voranzutreiben und so mitzugestalten, dass möglichst viele mitgenommen werden. Soziokulturelle Stadtteilarbeit setzt keine fertigen Inhalte vor, sondern tritt mit der Nachbarschaft in unmittelbaren Kontakt und in einen produktiven Prozess. „Kultur für alle, von allen“ – mit dieser Definition präzisierte und prägte der Kulturhistoriker Hermann Glaser die Soziokultur. Soziokulturelle Zentren, die im Zuge der Neuen Sozialen Bewegungen in den 1970er Jahren aus einer urbanen Bewegung für alternative kulturelle Ausdrucks- und Vermittlungsformen entstanden sind, verstehen sich als Lern- und Experimentierfelder für Fragen der gesellschaftlichen und politischen Zukunft wie auch für kulturelle und künstlerische Innovation. Kultur ist hier vor allem niedrigschwellig, d. h. dicht bei den Menschen, sowohl räumlich als auch inhaltlich, und in der Regel stark in den Sozialraum hinein vernetzt.

Ziel des Vortrags ist es, die Arbeitsweise soziokultureller Zentren zu skizzieren und dabei Antworten auf die Fragen zu geben, unter welchen Gelingensbedingungen die Zentren als soziale Infrastrukturen auf lokaler Ebene zur gesellschaftlichen Transformation beitragen können und welche Rolle dabei Kooperationen mit weiteren Infrastrukturen sowie die Governance-Kulturen der Einrichtungen spielen.

Soziokulturelle Zentren und Akteure stehen durch ihr dichtes lokales Netz in enger Wechselwirkung mit sozialräumlichen Entwicklungen und lokalen Diskursen. Kooperationen mit anderen sind gelebter Alltag. Die Zentren übernehmen als nachbarschaftliche Begegnungs- und Kommunikationsorte die Funktion von Reallaboren. Begründet durch den Anspruch, unter Berücksichtigung nachhaltiger Gesichtspunkte zu handeln, bieten und fordern die Akteure generell einen verschärften Blick auf die vorhandenen Ressourcen im Gemeinwesen, dem Sozialraum oder Stadtteil, um die lokalen Potenziale sinnvoll für die Gesamtgesellschaft aktivieren zu können. Übergeordnete Ziele werden auf die lokale Ebene runtergebrochen, verlieren ihre Komplexität und orientieren sich per Bottom-Up-an den tatsächlichen Bedarfen der Bevölkerung. Sie erfahren eine in der eigenen Lebenswelt begründete Notwendigkeit, Akzeptanz und Identifikation. Die Governance soziokultureller Zentren, bezogen auf ihre Organisationsform, lebt dieses Demokratieverständnis vor und kann ein Modell für staatliches Handeln bieten.

Der Vortrag wird praxisnahe Beispiele aus dem Modellprogramm „UTOPOLIS – Soziokultur im Quartier“ aufgreifen. Unter diesem Motto fördert der Bundesverband Soziokultur e.V. seit 2018 16 Experimentierräume, in denen mit den Mitteln der Kunst und Kultur Methoden erprobt werden, wie das Leben im Stadtteil im gemeinsamen Prozess mit der Anwohnerschaft zukunftsorientierter gestaltet werden kann.