These zum Verbleib der Deutschen in ihrem Eigenheim
Abstract
In wohnpolitischen Debatten taucht regelmäßig das Problem auf, dass es zwar in der Menge ausreichend Eigenheime für Familien gibt, diese jedoch aktuell nicht zur Verfügung stehen, weil Eltern nach dem Auszug der Kinder hier verweilen, auch wenn die Häuser groß sind, Barrieren aufweisen und viel Arbeit bedeuten. Das führt in der Konsequenz zu Wohnungsbau auf der grünen Wiese, was jedoch aus Klimaschutzgründen ein NoGo sein sollte.
In der Bremer Ausstellung „Architektur für Alle?! Emanzipatorische Bewegungen in Planung und Raum“ bin ich über zwei Zeitungsartikel aus dem Jahr 1946 des Bremer Weserkuriers gestolpert. In dem einen wirbt die Architektin Lotte Niehaus für den Bau von Großbauten, um beim Neuaufbau der Städte ausreichend Wohnraum auf wenig Fläche unterzubringen und kollektive Reproduktionsstrukturen verwirklichen zu können. Ihr Ziel ist, der (Haus‑)Frau auch öffentliches Arbeiten und mehr Zeit für die Kindererziehung zu ermöglichen. Der Architekt H. Weber kritisiert dies, aus seiner Sicht brauche der „deutsche Arbeiter“ ein Eigenheim, um „mit beiden Füßen in deutschem Boden verankert“ zu sein. „Elternhaus“ und „Heimat“ seien seiner Meinung nach Begriffe, die nur über das Eigenheim produzierbar seien. Diese faschistische Blut- und Boden-Ideologie propagiert also ein Wohnen der „deutschen Familie“ im Eigenheim, damit die Kinder um ihre Heimat wissen und nach dem Auszug zu dieser auch zurückkehren können. Dass das nur aufgeht, wenn die Eltern hier wohnen bleiben, ist augenfällig. Dass hiermit gleichzeitig ein Abwenden feministischer Ideen für weniger Reproduktionsarbeit und mehr Freizeit bzw. gesellschaftliche Arbeit propagiert wird, auch.
Gesetz der Annahme, dass faschistische Ideologie – so wie sie 1946 noch diskursfähig war – auch noch jahrzehntelang (unterschwellig) weiter existierte, stellt sich die Frage, ob der Verbleib im Eigenheim ein deutsches Phänomen ist.
Die Kontinuität der Relevanz des Eigenheims zieht sich durch die Nachkriegszeit: Das Eigenheim wird als Gegenmodell zum Mietwohnungsbau in der DDR gelabelt (Freiheit, die eigene Idee zu verwirklichen, dazu ein Garten), es soll die Arbeiterbewegung einhegen sowie feministische Utopien unterbinden, da mit der vielen Haus- und Gartenarbeit am Rande der Stadt Organisierung erschwert wird (Spittler 2022: Kulturkampf ums Einfamilienhaus). Daher und aus eigenem wirtschaftlichen Interesse wurde es von der amerikanischen Besetzungsmacht forciert und schon früh in der neuen Bundesrepublik staatlich gefördert (Staub 2023: Interview), die Umsetzung war aufgrund des einsetzenden Wirtschaftswachstums möglich. Der Traum vom Eigenheim setzte sich in der deutschen Gesellschaft fest.
Ich ziehe aus dieser These folgenden Schluss: Um die „empty nest“-Haushalte zu reduzieren reichen attraktive (barrierefreie) Wohnangebote sowie Umzugsberatung nicht aus. Sondern es muss die Kontinuität der alten Ideologien dekonstruiert werden, da sie noch immer wirkmächtig sind (siehe EFH-Debatte in Hamburg).