Transformation der Gründerzeitstadt: Ein Beitrag zur Quantifizierung der Gentrifizierung am Fallbeispiel Wien
Abstract
Gentrifizierung wird überwiegend anhand von qualitativen Fallstudien untersucht, die zwar die Mechanismen der Verdrängung offenlegen, jedoch keine Aussage zur Relevanz dieses Phänomens für einen städtischen Wohnungsmarkt erlauben. Am Beispiel der Wiener Gründerzeitstadt möchte dieses Beitrag einen Beitrag zur Quantifizierung der Gentrifzierung leisten.
Die Gründerzeitstadt stellt ein bedeutendes Segment am Wiener Wohnungsmarkt dar. Erstens in quantitativer Hinsicht, umfasst dieses doch rund 22% des Wohnungsbestandes. Zweitens in qualitativer Hinsicht, da es sich aufgrund der starken Regulierung durch das MRG (Mietrechtsgesetz) um ein günstiges und zugleich niederschwelliges Wohnungsmarktsegment handelt. Vor dem Hintergrund des aktuellen Immobilienpreis-Booms geht der Beitrag der Frage nach, ob und in welchem Ausmaß diese Qualitäten der Gründerzeitstadt in Gefahr sind.
Denn während dieses Wohnungsmarktsegment über Jahrzehnte kaum private Investitionen anzog und Erhaltungsinvestitionen überwiegend durch öffentliche Förderungen (“Sanfte Stadterneuerung”) möglich waren, haben in den letzten eineinhalb Dekaden private Investoren und Developer dieses Segment als lukratives Anlagefeld erkannt. Die Folge ist einerseits eine Transformation der Eigentümerstrukturen (“Parifizierung”), anderseits der Abriss und Neubau bestehender Gebäude. Beides sind Strategien, die eine Umgehung der starken Regulierung ermöglichen und mit der Verdrängung von Mieterhaushalten einhergehen. Die Transformation dieser Gründerzeithäuser - auch Zinshäuser genannt - erlaubt damit eine Quantifizierung der Gentrifizierung im spezifischen Kontext des Wiener Wohnungsmarktes.
Der Beitrag analysiert die räumlich-zeitliche Dynamik sowie die sozialen Implikationen der Transformation der Wiener Gründerzeitstadt. Darüber hinaus wird die Aussagekraft der “Zinshaus-Transformation” Indikator für die Quantifizierung der Gentrifizierung in Wien kritisch diskutiert. Die quantitativen Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Phänomen der Gentrifzierung in der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte überbewertet sein könnte. Verstellt diese “travelling Idea” den Blick auf andere, relevante Prozesse am Wohnungsmarkt?