Transformative Innovation und translokale Diffusion: Konzeptionelle Heterogenität und Forschungsbedarf für die Humangeografie
Abstract
Das Innovationsverständnis erfährt einen grundlegenden Wandel. Dabei rücken gesellschaftliche Verantwortung sowie Missions- und Gemeinwohlorientierung von Innovationen aktuell stärker in den Fokus. Hintergrund dieses Wandels ist eine historisch angelegte Konzentration des Innovationsgeschehens auf ökonomisch-technische Aspekte, die sich im Kontext struktureller Systemherausforderungen in Zeiten einer nachhaltigen Nicht-Nachhaltigkeit als limitiert und exkludierend erweist.
Mit dem Konzept der transformativen Innovation wird hier ein alternativer Innovationsbegriff eingeführt, der insbesondere soziale und gemeinwohlorientierte Aspekte von Neuerungen in den Mittelpunkt stellt. Transformativ meint hier, dass mit den alternativen Praktiken, Aktivitäten oder Ideen explizit nicht-nachhaltige Elemente des bestehenden Systems herausgefordert und geändert werden sollen. Die Entstehung und Diffusion transformativer Innovationen wird anhand von lokal verwurzelten und global verbundenen Netzwerken aus zivilgesellschaftlichen Akteuren empirisch untersucht.
Die hier thematisierten transformativen Innovationen werden auf lokaler und regionaler Ebene häufig noch übersehen, in ihrer Innovationskraft unterschätzt und sind selten Teil von formalisierter Innovations(förder)politik. Gleichzeitig engagieren sich die häufig aus der Zivilgesellschaft stammenden Akteure nur zum Teil in überregionalen Programmen und politischen Strukturen auf nationaler oder transnationaler Ebene, wodurch die translokale Diffusion erschwert wird und eher über informelle Netzwerke erfolgt.
Das hier präsentierte Verständnis von transformativer Innovation wird von anderen Denkschulen abgegrenzt, die mit gleichlautenden Konzepten arbeiten, und Unterschiede der Konzepte werden aufgezeigt. Auch werden verschiedene Mechanismen der Aneignung und Übersetzung von transformativen Innovationen in andere (geographische) Kontexte innerhalb von Netzwerken thematisiert, die diese Innovationen zu einem translokalen Phänomen machen. Ein Set von fünf dieser Mechanismen (‚Growing, ‚Replicating‘‚ ‚Partnering‘, ‚Instrumentalising‘,‘Embedding‘) wurde im Rahmen von Europäischen Verbundprojekten identifiziert.
Der Beitrag schließt mit Vorschlägen für zukünftige Forschungsfragen in der Humangeografie und entwickelt die Idee einer regionalen ‚Innovation literacy‘, die es lokalen Akteuren ermöglichen soll, ihre Innovationskraft zu stärken und gezielt translokal auszutauschen und zu vernetzen.