(Un-)gerechte Gesundheitsbedingungen im Setting Quartier: Triangulation von Mehrfachbelastungskarten und visuell-partizipativen Methoden in der urbanen Gesundheitsforschung
Abstract
Die Diskussionen um urbane Gesundheit und Umweltgerechtigkeit in der Stadt rücken ein verhältnisorientiertes Verständnis von Gesundheit in den Fokus (Global Health Hub Germany 2023). Damit wird das pathogenetische Krankheitsmodell, das auf Verhaltensprävention setzt, um ein ganzheitliches Gesundheitsmodell erweitert, das gesundheitliche Chancengleichheit für alle adressiert und sich die Schaffung von gesunden Lebensbedingungen im Sinne einer Verhältnisprävention zum Ziel setzt. In der Folge stellen sich Fragen der Verteilung von gesundheitsbeeinträchtigenden (z.B. Lärm) und gesundheitsförderlichen Umweltfaktoren (z.B. urbanes Grün, soziales Miteinander), sowie deren Zusammenhänge mit sozialen Problemlagen. In jüngster Zeit haben verschiedene Forschungsarbeiten auf die Bedeutung von kleinräumigen Gesundheitsbedingungen in der Stadt hingewiesen und verschiedene Wege zu deren Operationalisierung vorgeschlagen (z.B. Honold et al. 2012, Klimeczek 2014, Flacke et al. 2016, Hölzl et al. 2021). Der Einsatz von geographischen Informationssystemen, sowie von Techniken der Fernerkundung zur Erstellung von Mehrfachbelastungskarten hat sich dabei als vorteilhaft zur Identifizierung von Gebieten mit prioritärem Handlungsbedarf erwiesen. Diese Erkenntnisse sollen nun mit quantitativen und partizipativen Methoden kombiniert werden. Dieser Beitrag macht einen methodologischen Vorschlag zur Operationalisierung von kleinräumigen Gesundheitsverhältnissen unter der Prämisse eines ganzheitlichen Gesundheitsverständnisses. Die Verteilung von environmental goods und environmental bads wird zunächst quantitativ anhand der Kernindikatoren Lärm und Stadtgrün dargestellt. Im Anschluss daran wird ein visuell-partizipativer Ansatz zur Erfassung von Begegnungsorten vorgestellt, der die psychosozialen Bedingungen in einem besonders belasteten Quartier abschätzen kann. Begegnungsorte werden dabei als Indikatoren zur Beschreibung des sozialen Miteinanders im Quartier konzeptionalisiert. Partizipative Methoden erweisen sich dabei als hilfreich, um die Lebenswelten von vulnerablen Gruppen zu erfassen und Bedarfe in Bezug auf die soziomaterielle Ausstattung des Quartiers zu identifizieren. Konzeptionell ist die Methodologie eingebunden in einen räumlichen Setting-Ansatz, der das Prinzip der Gesundheitsförderung verfolgt und darauf abzielt, urbane Räume zu gesunden Räumen werden zu lassen.