Urbanes Gärtnern als Arbeitsgelegenheit für langzeitarbeitslose Menschen aus dem Blickwinkel der Ernährungsgerechtigkeit
Abstract
Urbanes Gärtnern – verstanden als soziale Praktiken rund um die Kultivierung von Lebensmitteln im (semi‑)urbanen Raum – gewinnt in Städten des globalen Nordens seit Jahren an Bedeutung. Das Phänomen wird mit vielfältigen positiven sozio-ökonomischen und ökologischen Wirkungen assoziiert, allen voran mit gesellschaftlicher Teilhabe. Dadurch trägt es zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung bei. So taucht Urbanes Gärtnern, das weit mehr als ein Trend ist, beispielsweise häufig im Kontext der „Wiederentdeckung“ von Ernährung als urbanes Thema auf, sowie in den damit verbundenen politischen Strategien und Instrumenten.
Trotz einer existierenden kritischen Urban-Gardening-Literatur, die auf ambivalente Mechanismen und Prozesse hinweist, die als progressiv und transformativ verstandene Wirkungen konterkarieren, finden diese Grenzen nur selten Beachtung – sei es in lokalen Bestrebungen der aufkeimenden Ernährungssystemplanung oder in konkreten Gartenprojekten. Besonders der nord-amerikanisch geprägte Diskurs rund um Ernährungsgerechtigkeit eröffnet eine spannende Perspektive auf das Thema Urbanes Gärtnern. Während sich dieser Forschungsstrang mit dem ungleichen Zugang zu einer „guten“ Ernährung beschäftigt, wird Urbanes Gärtnern als ein möglicher lokaler Beitrag zu mehr Ernährungsgerechtigkeit kritisch untersucht. Dabei ist der normative Ausgangspunkt egalitär: „gute“ Ernährung sollte unabhängig von Determinanten sozialer Ungleichheit für alle Menschen verfügbar sein.
Gerade urbane Gartenprojekte, die einen Schwerpunkt auf sozio-ökonomisch benachteiligte Gruppen legen, gehen oftmals implizit von einem Beitrag zu mehr Gerechtigkeit aus. Dieser Vortrag stellt die empirische Analyse eines Dortmunder Projektes in den Fokus, in dem Urbanes Gärtnern mit einer Arbeitsgelegenheit (als arbeitsmarktpolitisches Instrument) für langzeitarbeitslose Menschen verbunden wird. Die Analyse basiert auf Daten, die aus Interviews und teilnehmenden Beobachtungen gewonnen wurden. Ziel des Vortrags ist es, die Auswirkungen des Projekts durch die Brille der Ernährungsgerechtigkeit zu beleuchten. Dafür werden die von verschiedenen Akteursgruppen wahrgenommenen, materiellen und immateriellen Stärken und Schwächen des Projektes beleuchtet. Abschließend wird die Bedeutung von Urbanem Gärtnern zur Gestaltung sozial‐ökologischer Transformationsprozesse des Ernährungssystems für eine nachhaltige Stadt in ihren Chancen und Risiken kritisch diskutiert. Somit liefert mein Vortrag einen Beitrag zur kritischen Urban-Gardening-Forschung im Kontext eines von Ungleichheiten geprägten Ernährungssystems.