Utopisches Wissen für ein besseres (Über-)Leben
Abstract
Die Notwendigkeit einer allgemeinen klimafreundlichen Transformation auf allen Ebenen ist weithin anerkannt. Nichtsdestotrotz scheint der Weg dorthin oft unklar und es fehlen partizipatorische, prozesshafte Visionen, wie eine transformierte Welt aussehen könnte. Neben dem Mangel an Transformationsgeist gibt es gleichzeitig einen Fokus auf Maßnahmen zur Adaption und Mitigation. Dabei ist die Vorstellung, das Leben von Menschen und anderen Lebewesen könnte mit den nötigen Maßnahmen trotz des Klimawandels mehr oder weniger gleichbleiben, ohnehin verfehlt. Der Klimawandel wird in jedem Fall einschneidende Veränderungen mit sich bringen bzw. zeigt sich teilweise bereits als prägender Faktor für individuelles und kollektives Leben. Offen ist jedoch, ob wir aus den Herausforderungen des Klimawandels, eine bessere, gerechtere und nachhaltigere Welt bilden oder letztlich nur um das (Über‑)Leben kämpfen. Kurzum, die Konzentration auf die Sicherung des Überlebens stellt sich der Vorstellung von Utopien, von qualitativ verschiedenen, besseren Welten, in den Weg.
Die Zielsetzung in der Reaktion auf den Klimawandel ist demnach essentiell für die mögliche Etablierung eines utopischen Prozesses. Durch sie wird sich entscheiden, ob ein Kompromiss zwischen möglichst breitem Erhalt des aktuellen Lebensstils und nötigen Einschränkungen gefunden wird, oder aber ob der Klimawandel als Möglichkeit zur Etablierung eines allgemeinen utopischen Prozesses genutzt wird. Die Orientierung an Utopien könnte als Inspiration und Motivation die klimafreundliche Transformation erleichtern und bestärken. Um utopisches Denken für eine klimafreundliche Transformation nutzbar zu machen braucht es ein Verständnis von Formen utopischen Wissens. Im Rahmen einer Typologie werden dafür vier Modi utopischen Wissens definiert. Diese Modi ordnen sich an zwei Achsen an, die ein Spannungsfeld zwischen intrinsischem und extrinsischem sowie antizipatorischem und kritisch-rückblickendem Wissen eröffnen. Utopisches Wissen setzt sich somit kritisch mit Vergangenem auseinander; folgt aber zugleich dem Wunsch nach einem besseren Leben trotz des globalen Klimawandels.
Mehr als Überleben bedeutet in diesem Sinne auch, dass Menschen lernen, utopisches Wissen über sich und die Welt, über die Vergangenheit und die Zukunft zu konstruieren. Als Basis für diese Konstruktion von utopischem Wissen werden mögliche Leitfragen vorgestellt, die sowohl in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen als auch in Bildungsmaßnahmen mit verschiedenen Altersgruppen genutzt werden können. Damit wird allen an der Transformation beteiligten Akteur*innen die Möglichkeit geboten, Wege eines Lebens trotz des bzw. mit dem Klimawandel zu identifizieren, die über das bloße Überleben hinausgehen. Für die Klimawandelbildung heißt das, um ihrem eigenen transformativen Anspruch gerecht zu werden, sollte sie konkrete Räume erschaffen, um gesamtgesellschaftlich Utopien und Möglichkeiten eines radikal anderen, besseren Lebens zu erforschen.