Verhandlung von Wohn(un)sicherheit: Visuelle Forschungsmethoden als Zugang einer feministischen-geographischen Wissensproduktion
Abstract
Die Folgen stetig steigenden Miet‑, Lebenshaltungs- und Wohnkosten werden von Bewohner:innen in angespannten Wohnungsmärkten zunehmend mit subjektiver Unsicherheit verknüpft. Sie schwingt oft mit, ist aber gleichzeitig methodisch schwer greifbar. Diese Unsicherheit ist eine Folge gesellschaftlicher Machtungleichgewichte, die sich im Alltag und im eigenen Zuhause manifestieren. Insbesondere die emotionale Ebene des Wohnerlebens ist bisher wenig erforscht, um die vielschichtigen Dimensionen von Wohnpraktiken und sicherheitsstiftenden Bewältigungsstrategien zu verstehen und anzugehen. In der Studie wird ein alternativer Ansatz entwickelt, um die emotionalen Erfahrungen und affektiven Dimensionen von Wohn(un)sicherheiten zu verdeutlichen, basierend auf dem psychoanalytischen Konzept der “ontologischen Sicherheit” (Genz/Helbrecht 2022).
Die Studie zielt darauf ab, die subjektiven Wahrnehmungen der Bewohner:innen in Bezug auf ihre Wohn(un)sicherheit in ihrem Zuhause zu verstehen, indem sie die Zusammenhänge zwischen Wohnen und ontologischer (Un)Sicherheit untersucht. Die Studie widmet sich demnach Praktiken und Bewältigungsstrategien im Umgang mit Wohn(un)sicherheit auf der Grundlage qualitativer Interviews mithilfe der Methode der Foto-Elizitation, an denen Teilnehmer:innen verschiedener Altersgruppen und Geschlechter teilnehmen. Insbesondere der methodologische Ansatz der Foto-Elizitation bietet feministisch informierte Zugänge, um Wohnpraktiken, -imaginationen und -räume zu erforschen. Die Methode erkennt Subjektperspektiven und die verkörperte Erfahrung von Wohnwissen an (siehe auch Dobrusskin 2021, Longhurst 2009) und erfordert dabei zugleich eine tiefgreifende Reflexion der Positionalität der Forschenden, welche die Entwicklung eines kritisch-reflektierten Forschungsansatzes ermöglicht.
Der Beitrag liefert einerseits eine raumwissenschaftliche und psychoanalytische Perspektive auf Wohn(un)sicherheit für einen feministisch informierten Zugang zur Wohnforschung, indem untersucht wird, wie Menschen mit steigenden Unsicherheiten in ihren jeweiligen Wohnalltagen im Spiegel renditeorientierter Logiken und Machtungleichverhältnisse einen Umgang finden. Andererseits werden die Chancen und Grenzen der bildgestützten Raumforschungsmethode zur Untersuchung subjektiver Wahrnehmungen und von verkörperter Erfahrbarkeit von Wohnwissen (embodied knowing, Bondi 2005) diskutiert.