Von „Finsterschwarzen Löchern“ und Digitalen Schaukästen: Herausforderungen der E-Partizipation in strukturschwachen ländlichen Gemeinden

Vortrag
Sitzungstermin
Mittwoch (20. September 2023), 11:00–12:30
Sitzungsraum
SH 3.104
Autor*innen
Torsten Wißmann (FH Erfurt)
Sebastian Juhnke (FH Erfurt)
Isabelle Tischer (FH Erfurt)
Kurz­be­schreib­ung
E-Partizipation birgt für den ländlichen Raum Chancen, die Herausforderungen von z. B. Abwanderung oder geringer Mobilität zu adressieren. Am Beispiel der Entwicklung eines digitalen Planungsverfahrens für Gemeinden werden die Herausforderungen und Potenziale der digitalen Beteiligung diskutiert.

Abstract

Junge und ältere Erwachsene (18-25 Jahre, 65+ Jahre) in strukturschwachen ländlichen Gemeinden sind in ihrer sozialen Teilhabe besonders benachteiligt. Junge Erwachsene sind mit einem eingeschränkten Bildungs- und Freizeitangebot konfrontiert, was häufig in schlechter sozialer Vernetzung oder Abwanderung resultiert. Ältere Erwachsene sind u. a. hinsichtlich ihrer Gesundheit, Mobilität und des subjektiven Wohlbefindens benachteiligt. Internetgestützte Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen sie deutlich seltener als jüngere Menschen. Für die Gemeinden stellt die Wechselwirkung aus Abwanderung und Strukturschwäche eine Herausforderung dar. Geringe finanzielle Spielräume, gepaart mit nicht ausgeschöpften Potenzialen der Bürger*innenbeteiligung und Kommunikation, erschweren die Schaffung adäquater Lebensverhältnisse vor Ort.

Bei der Kommunikation setzt das BMBF-geförderte, angewandte Forschungsprojekt „IDEAL - Miteinander im ländlichen Raum für mehr Lebensqualität und Gesundheit von Jung und Alt“ an. In Kooperation mit drei Thüringer Gemeinden wird die Online-Plattform SoLokal entwickelt. Ziel ist es, Bürger*innen, Vereine und Verwaltung parallel zu konkreten Planungsvorhaben, -prozessen und -zielen dauerhaft und nachhaltig miteinander zu vernetzen. Bürger*innen können somit eigeninitiativ Beteiligungswünsche einbringen. Die Gemeinde wird in die Lage versetzt, Bedarfe der Bevölkerung kurzfristig abzufragen und die fortlaufende Gemeindeentwicklung dadurch aktiv anzupassen.

Um die Partizipation der gesamten Bevölkerung zu stärken, liegt ein besonderes Augenmerk auf der Inklusion von Personen, die das Internet selbst nicht nutzen. Ein Programm für Analog-Lots*innen zeigt, wie die Online-Plattform auch offline verfügbar gemacht werden kann, sodass alle Bürger*innen von der Beteiligung profitieren können. Äquivalent hierzu sorgen sich Digital-Lots*innen um die digitale Umsetzung, Verbreitung und Organisation der ermittelten Bedarfe.

Dieser Beitrag wird die Erfahrungen und Herausforderungen bei der Entwicklung und Implementierung eines digitalen Planungsverfahrens in Form einer Online-Beteiligungsplattform diskutieren. Als Grundlage dienen neben Sekundärdaten eigens durchgeführte qualitative und quantitative Interviews in drei thüringischen Partnergemeinden, die Begleitung der Digital- und Analog-Lots*innen sowie die Pilotierung der Online-Plattform SoLokal. Stolpersteine sind u.a. der Stand der Digitalisierung, die begrenzte Verfügbarkeit finanzieller Mittel für zu planende Projekte sowie die erschwerte Erreichbarkeit von Jüngeren und Älteren vor Ort. Es zeigt sich eine Verschlossenheit und Zurückgezogenheit insbesondere jener Bürger*innen, deren Lebenserfahrung von Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und Veränderungsmöglichkeiten geprägt ist. Gleichzeitig zeigt die Kooperation mit Stakeholder*innen und Ehrenamtlichen aber auch die Potenziale der digitalen Beteiligung in ländlichen Gemeinden auf.