„Welchen Reiz übt aber erst dieser afrikanische Urwald auf jagdlustige Seelen aus!“: Veränderte Kosmologien von Mitarbeitenden der Basler Mission in Kamerun
Abstract
Wie veränderte der ökologische und geologische Kontext Missionar*innen? Fast alle frühen Missionar*innen, die von der Basler Mission in das sogen. Schutzgebiet Kamerun unter deutscher Kolonialherrschaft gesandt wurden, starben an Malaria („Klimafieber“). 1886, am vierten Tag nach seiner Ankunft im Land, verstarb der erste Missionar. Die Darstellung an die Basler Leitung macht deutlich, dass die Erkrankung außerhalb des Ziellandes gelegt wurde, um die Unternehmung, als von Gott bestimmte, nicht in Zweifel zu ziehen.
Zweifel der Unwürdigkeit hatten auch den ersten Missionar auf seinem Sterbebett befallen.
Die Weltkonstruktionen und Theologien der Basler Missionar*innen wurden verschiedenartig im Kameruner Ökosystemen transformiert. Sie romantisierten und eroberten zugleich den als unberührt weiblich imaginierten Urwald; sie nutzten Jagdvokabular und bewerteten ihnen Furcht einflößende Tiere mit Kategorierungen, die bis heute kulturgeschichtlich weitertradiert werden. Ihre multivalente Involviertheit in die Plantagenwirtschaft und die Zwangsarbeit von Personen sowie unterschiedliche Gewaltakte gegen Einheimische verweisen darauf, wie Basler Missionar*innen sich selbst gegenüber zu den Anderen wurden. Dabei blieben die Missionar*innen abhängig von der Gunst und Mitarbeit der einheimischen Bevölkerung. In den anthropologischen und historiographischen Studien zur Basler Mission und zu anderen protestantischen Missionen in Kamerun wurde bisher nicht darauf fokussiert, wie die ökologischen und geologischen Gegebenheiten die Perspektiven und Handlungen der Missionar*innen beeinflussten. Dieses anthropozentrische Verständnis von Missionsarbeit soll diskutiert und mit der Fragen nach Dynamiken und Transformationen in den Kosmologien der Missionar*innen im Ökosystem überwunden werden.
Exemplarisch wurden die Schriften und Reisetagebücher von Friedrich Autenrieth, Paul Steiner und Heinrich Norden untersucht, da diese zu den am breitesten publizierenden Missionar*innen gehören, welche zudem umfängliche Naturbeschreibungen und -erzählungen zum Kameruner Kontext enthalten. Bei der Untersuchung interessieren insbesondere die umgewandelten Konzepte von Gott, Mission, Kultur/Natur, Religion, Geschlecht und Mensch. Inwiefern wurden diese Vorstellungen herausgefordert, verhandelt und umgewandelt bei der Arbeit im und den Reisen durch das Land und seine vielseitigen Naturräume? Die diskursanalytische Untersuchung von Archivmaterial (Reisetagebücher, -berichte, Artikel, Erzählungen, Korrespondenzen) wird hierbei mit der Befragung zu Reaktionen auf und Reflektionen über Flora, Fauna, Krankheiten und die vulkanischen Aktivitäten des sogen. Kamerunberges und deren spezifische Beschreibung für unterschiedliche Leser*innenschaften verbunden. Aus der zentralen Positionierung der Frage nach Agency folgt schließlich eine Missionshistoriographie, die menschliche und nicht-menschliche Handlungsmacht zusammen betrachtet.